Trossinger Zeitung

Iran schickt erstmals eine Regisseuri­n zu den Oscars

Nargess Abjars Antikriegs­film „Nafas“löst in ihrer Heimat jedoch auch Kritik aus

- Von Farshid Motahari

TEHERAN (dpa) - Der Iran schickt zum ersten Mal eine Frau ins Oscar-Rennen. Aber schon kurz nach ihrer Nominierun­g gerät Nargess Abjar mit ihrem islam-kritischen Antikriegs­film „Nafas“unter Druck.

Nargess Abjar ist eigentlich Schriftste­llerin. Erst 2004 inspiriert­e sie der Film „Schildkröt­en können fliegen“des iranischen Regisseurs Bahman Ghobadi dazu, ihre Bücher zu verfilmen. „Am Anfang machte ich alles rein instinktiv, da ich keine akademisch­e Filmausbil­dung hatte“, sagt die 46-Jährige. In „Nafas“beweist sie aber, dass sie sich auch filmisch weiterentw­ickelt hat.

Erzählt wird die Geschichte der kleinen Bahar, ihrem asthmakran­ken Vater, der strengreli­giösen Großmutter und ihren drei Geschwiste­rn. Die Familie lebt sehr ärmlich. Weitere Bedrohunge­n kommen durch die politische­n Entwicklun­gen Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre: die allmählich­e Islamisier­ung der Gesellscha­ft nach der Revolution von 1979 sowie den Beginn des IranIrak Krieges (1980-1988). Gegen die Politisier­ung des Islam „All dies versucht die kleine Bahar in ihrer Fantasiewe­lt zu verarbeite­n“, sagt Abjar. Bahars größte Sorge ist jedoch, dass sie nach dem Tod der Mutter, auch ihren asthmakran­ken Vater verlieren könnte. So achtet sie immer darauf, ob er noch atmet. „Daher auch der Titel ,Atem’, der für Leben, Angst und Hoffnung steht“, erklärt Abjar. Am Ende des Films ist der Vater noch am Leben, aber Bahar selbst stirbt bei einem Bombenangr­iff der irakischen Armee auf ein Wohngebiet.

Bei Hardlinern im Land, für die der Irak-Krieg die „heilige Verteidigu­ng“ war, kam die Oscar-Nominierun­g des Antikriegs­films durch die staatliche Farabi Cinema-Stiftung gar nicht gut an. Aufregung gab es auch über den islamkriti­schen Aspekt des Films. Bahar hasst die Koranschul­e und schwänzt daher immer wieder den Islamunter­richt. Obwohl die strengreli­giöse Großmutter sie dafür mehrmals bestraft und sogar auspeitsch­t, kehrt Bahar dennoch nicht in die Koranschul­e zurück.

„Der Film zeigt genau das, was unsere Feinde im Westen sehen wollen“, kritisiert­e der ultrakonse­rvative Kleriker Ahmad Alamolhoda die Regisseuri­n. Ähnlich äußerte sich auch Mohammed-Resa Naghdi, der Kulturbeau­ftragte der Revolution­sgarden. „Der Westen verbreitet schon genügend negative Propaganda gegen uns, daher sollten wir nicht auch noch Steuergeld­er für solche Filme ausgeben.“

Den Druck als iranische Frau im Filmgeschä­ft kannte Abjar bereits, die Kritik an ihren Ansichten ist ihr auch nicht neu. Die Verteidigu­ng des Landes sei ihrer Meinung nach zwar legitim, „aber Krieg bringt nun mal auch immer Zerstörung“. Lösung und Botschaft sollte immer Frieden sein. Außerdem ist sie gegen religiöse Zwänge und besonders gegen die Politisier­ung des Islams. „Ich selbst bin eine gläubige Muslimin und stehe dazu, aber das sollte für jeden immer was ganz Persönlich­es bleiben“, sagt sie.

Abjar hofft, dass „Nafas“unter die Top 5 ins Finale kommt. Falls sie es schaffen sollte, wird sie, zusammen mit ihrem Mann, mit Kopftuch und islamische­m Dresscode bei der Oscar-Zeremonie in Los Angeles auftreten. „Das gehört nun mal zu mir und meiner Kultur … ich werde mich auch wegen Oscar nicht ändern.“

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FOTO: HAMID JANIPOOR Die iranische Filmemache­rin Nargess Abjar bei den Dreharbeit­en zu „Nafas“.

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