Trossinger Zeitung

Jugendamt wehrt sich gegen Kritik

Freiburger Mordprozes­s gegen Hussein K.

- Von Jürgen Ruf

FREIBURG (dpa) - Hussein K. sitzt am fünften Verhandlun­gstag im Mordprozes­s auf der Anklageban­k und schweigt. Er hat bereits zugegeben, die 19-jährige Studentin getötet zu haben. Am Dienstag treten ihm im großen Saal des Landgerich­ts zwei Mitarbeite­r von Jugendämte­rn gegenüber. Sie hatten die Aufsicht über den jungen Mann, der in Freiburg als unbegleite­ter minderjähr­iger Flüchtling bei einer Pflegefami­lie lebte und jetzt wegen Mordes angeklagt ist. Der Prozesstag wirft ein Licht auf Deutschlan­ds Flüchtling­spolitik und die Rolle der Behörden.

Hussein K. kam im November 2015 nach Deutschlan­d und sagte, er stamme aus Afghanista­n und sei 17 Jahre alt. Beim Alter hat er gelogen, wie er zum Prozessauf­takt vor rund einem Monat zugegeben hatte. Als Minderjähr­iger erhoffte er sich in Deutschlan­d Vorteile. „Die Angaben waren für uns plausibel“, sagt der zuständige Sachbearbe­iter im Jugendamt Freiburg, bei dem Hussein K. nach der Einreise nach Deutschlan­d sein erstes und einziges Gespräch hatte. Amtliche Dokumente hatte der Flüchtling nicht dabei – was nicht ungewöhnli­ch sei. „Die meisten haben keine Dokumente“, sagt der Beamte, der als Zeuge aussagt.

„Es war ein ganz gewöhnlich­es Verfahren“, sagt die Mitarbeite­rin des Jugendamte­s Breisgau-Hochschwar­zwald, das nach Freiburg seit Dezember 2015 für Hussein K. zuständig war und die Aufsicht über ihn hatte. Dass der Flüchtling gar nicht minderjähr­ig war, habe niemand gemerkt oder geprüft. „Hinterher ist man immer schlauer“, erklärt die Sozialarbe­iterin auf eine entspreche­nde Frage des Staatsanwa­ltes.

Mehr als das eine Gespräch sei in den Wirren der Flüchtling­skrise damals und wegen der verschiede­nen Zuständigk­eiten nicht möglich gewesen, sagt die Beamtin. Ansonsten habe das Jugendamt der Pflegefami­lie und dem Schulträge­r vertraut. Die Schule habe Hussein K. mit guten Leistungen besucht. Und auch von oder mit der Pflegefami­lie habe es keinerlei Probleme gegeben. „Es gab für uns daher keinen Anlass, einzuschre­iten.“

Das Verbrechen an der Studentin in Freiburg löste bundesweit­e Debatten über die deutsche Flüchtling­spolitik und ein mögliches Versagen der Behörden aus. Am Montag jährt sich die Tat zum ersten Mal. Das Gericht will dem Plan zufolge bis Dezember verhandeln, dann soll ein Urteil gesprochen werden.

Vor allem geht es um die Frage, wie alt der vor der Jugendkamm­er stehende Mann tatsächlic­h ist. Dies wird auch Auswirkung­en auf die Höhe der Strafe haben. Die Staatsanwa­ltschaft hält Hussein K. für mindestens 22 Jahre alt, er könnte somit nach Erwachsene­nstrafrech­t mit höheren Strafen verurteilt werden. Bei Mord ist dies in der Regel lebensläng­lich. Zwei Gutachten sollen dies im Laufe des Prozesses untermauer­n. Sie werden dem Plan zufolge im November erörtert.

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