Der Kinderbildungspass ist vom Tisch
Bildungspolitiker wollen vorgesehenes Geld in Qualität von Kitas investieren
STUTTGART - Während der grünschwarzen Koalitionsverhandlungen wurde hart um den Kinderbildungspass gerungen, nun ist er vom Tisch. So hat es der Bildungsausschuss des Landtags am Donnerstag beschlossen. Die dafür vorgesehenen Millionen sollen zur Qualitätsverbesserung der Kitas im Land fließen.
Im Koalitionsvertrag hatten sich Grüne und CDU auf den Kinderbildungspass als Kompromiss geeinigt. Die CDU hatte die Idee von einem beitragsfreien und verpflichtenden Kindergartenjahr vor der Einschulung. Realisiert werden sollte das durch den Bildungspass, den die Grünen zähneknirschend mittrugen. Der Ulmer Grünen-Abgeordnete Jürgen Filius hatte den Pass damals als kontraproduktiv und wegen der Kosten als problematisch bezeichnet. Mit dem Pass sollten Eltern 75 Euro monatlich für den Kindergartenbesuch ihres Nachwuchses bekommen. In den Nebenabreden zum Koalitionsvertrag waren die Kosten dafür mit jährlich 84 Millionen Euro beziffert worden.
Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) trifft die Entscheidung auf Beifall. Bereits vor einem knappen Jahr hatte der Landesverband öffentlich gefordert, den Kinderbildungspass einzustampfen. Das dafür vorgesehene Geld solle in Kitas zur Verbesserung der Qualität fließen – etwa für mehr Leitungszeit. Den Pass hatte die Landesvorsitzende Doro Moritz eine „große Geldverschwendung“genannt.
Die FDP-Fraktion hatte den Antrag gestellt, auf den Pass zu verzichten und stattdessen Qualitätsverbesserungen im frühkindlichen Bereich anzustreben. FDP-Bildungsexperte Timm Kern erklärt: „Angesichts der enormen Qualitätsherausforderungen im frühkindlichen Bereich und einer Besuchsquote von 99 Prozent im letzten Kindergartenjahr wäre die Beitragsfreiheit an dieser Stelle eine gigantische Fehlinvestition geworden.“Gemeinsam mit der SPD hatten die Liberalen erreicht, dass im Bildungsausschuss auch der Landesverband der Tageseltern und die GEW gehört wurden. 84 Millionen Euro als Grundlage Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) begrüßt das Umdenken ausdrücklich. „Wir wollen eine verbindliche Qualität in den Kitas“, sagt sie auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Nicht zuletzt der IQB-Bildungstrend habe jetzt bewiesen, dass es daran mangele. „Die IQBStudie hat gezeigt, dass wir früher ansetzen müssen und ein aufbauendes System brauchen. Daher müssen wir etwa darüber nachdenken, ob wir Vierjährigen mit Sprachförderbedarf verpflichtende Angebote machen. Und wir müssen die Leitungszeit in den Kitas erhöhen.“Unter anderem darüber wolle sie mit den Kommunen sprechen – mit ihnen möchte das Land einen „Pakt für gute Bildung und Betreuung“schließen. Dafür wünscht sich Eisenmann die jährlich 84 Millionen Euro, die für den Kinderbildungspass eingeplant waren. „Das ist schon eine Grundlage, auf deren Basis wir arbeiten.“
Auch die Grünen-Abgeordnete Brigitte Lösch spricht von richtiger Prioritätensetzung. „Man muss die Realitäten sehen. Im Augenblick geht es um Qualität, das ist Prio 1“, sagt die Vorsitzende des Bildungsausschusses – gerade in Zeiten steigender Kinderzahlen.