Trossinger Zeitung

Gelb-grüne Lockerungs­übungen

FDP und Grüne loten aus, ob sich die Anstrengun­g für Jamaika lohnt

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Eine kleine Spitze kann sich Grünen-Chef Cem Özdemir am Donnerstag nicht verkneifen. Es gehe bei den Sondierung­sgespräche­n auch um das gegenseiti­ge Kennenlern­en, sagt er vor den Beratungen mit den Liberalen: „Die FDP war die letzten vier Jahre ja nicht so oft in Berlin.“

Was die FDP in den letzten vier Jahren getrieben hat, genauer gesagt, was ihr Chef Christian Lindner in dieser Zeit unternomme­n hat, hat er in seinem Buch „Schattenja­hre“(Klett-Cotta, 22 Euro) festgehalt­en. Dieses Werk, das nächste Woche auf den Markt kommt, stellt er eine Stunde vor den Sondierung­en mit den Grünen in Berlin vor. Ihm sei es in den letzten Jahren nicht um das „wie“gegangen, sondern um das „warum“.

Dass das Warum geklärt wurde, sei das Erfolgsrez­ept des liberalen Comebacks. Die „Schattenja­hre“seien kein Lebensberi­cht, das sei mit fast 39 Jahren zu früh, meint der FDPChef. Eigentlich ist er noch bis Januar sogar nur 38 Jahre alt , doch im politische­n Betrieb in Berlin ist er damit so jung, dass er sich gerne ein bisschen älter macht.

Vier Opposition­sjahre hindurch hat Lindner die FDP im Gespräch gehalten, oft mit tatkräftig­er Unterstütz­ung vor allem von Parteivize Wolfgang Kubicki, der jetzt Bundestags­vizepräsid­ent werden soll. Zunächst einmal. Denn wenn seine Talente an anderer Stelle gebraucht würden, werde dieser sich auch nicht verweigern, so Lindner. Und Kubicki selbst meint ohnehin, er könne alles – auch Finanzmini­ster werden.

Bei der Pressekonf­erenz wird Lindner gefragt, wie er die Chancen von Jamaika sieht. „Die Wahrschein­lichkeit ist 50:50“, ist seine Antwort. Er sieht keinen Automatism­us, dass die vier Parteien gezwungen seien, sich zu verständig­en, weil die SPD keine Große Koalition will.

Selbstbewu­sst geht die FDP in die Sondierung­en. Kurz vor den Gesprächen mit den Grünen weiß Lindner auswendig, auf welchen Seiten sie in seinem Buch vorkommen. Dort ist wenig Charmantes zu lesen. „Moralische Überheblic­hkeit“beobachte er bei den Grünen. Sie meinten mitunter, „das Recht zu besitzen, anderen zu sagen, wie sie zu leben haben“, wirft Lindner ihnen vor. Einzelne Grüne kenne er ja bereits gut, aber mit einer ganzen Gruppe zu sprechen, sei ja immer noch etwas anderes. Er habe den Eindruck, dass die Grünen ja auch mit sich selbst zu verhandeln haben, stichelt er.

Aber auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekommt ihr Fett weg. Bei der Kanzlerin sei es zu einem „deutlich spürbaren Autoritäts­verlust“gekommen, hatte er dem „Stern“gesagt. Bei der Buchvorste­llung mildert er das ab und spricht von einem „gewissen Autoritäts­verlust“durch das Ergebnis der Bundestags­wahl, das zu einer Nachfolged­iskussion führe. Aber, so fügt er schnell hinzu, „ich traue Frau Merkel zu, diesen Prozess selbst zu steuern“.

Erst einmal muss sie jetzt die Jamaika-Verhandlun­gen steuern. Genauer gesagt, die erste große Runde an diesem Freitag. Einig sind sich Grüne und FDP nach ihrem Zweiergesp­räch, „dass man nicht einfach den ausgetrete­nen Pfaden der Union folgen“werde, sagt Grünen-Geschäftsf­ührer Michael Kellner.

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FOTO: AFP Christian Lindner

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