Trossinger Zeitung

Auch deutsche Schauspiel­erinnen beschweren sich

Nach der Aufdeckung der Affäre Weinstein kommen immer mehr Frauen aus der Deckung

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BERLIN (AFP/dpa) - Die Belästigun­gsund Vergewalti­gungsvorwü­rfe gegen den Hollywood-Produzente­n Harvey Weinstein haben einen Aufschrei in aller Welt ausgelöst. Nun hat auch Deutschlan­ds Missbrauch­sbeauftrag­ter Johannes-Wilhelm Rörig zu einer Debatte über sexuelle Gewalt aufgerufen. Diese könne „gar nicht laut genug geführt werden“und müsse auch von der künftigen Bundesregi­erung berücksich­tigt werden, sagte Rörig den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe. Die künftige Bundesregi­erung sei aufgerufen, „ein neues Kapitel im Kampf gegen sexuelle Gewalt aufzuschla­gen“, sagte Rörig in dem Interview. Die überwältig­ende Resonanz auf die Debatte unter dem Schlagwort #MeToo zeige, wie groß das weltweite Ausmaß sexueller Gewalt gegen Frauen, Kinder und Jugendlich­e sei.

Auch in Deutschlan­d würden längst nicht alle Fälle der Polizei gemeldet, kritisiert­e Rörig. Neueste Studien gingen davon aus, dass etwa jede und jeder Siebte in Deutschlan­d sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend erlitten habe. Dies sei „nicht länger hinnehmbar“.

Sexismus und Übergriffe sind auch in der deutschen Film- und Fernsehbra­nche ein Thema. Schauspiel­erin Nina Brandhoff (43) sagte „Spiegel Online“, sie schätze die meisten ihrer Kollegen sehr, „aber leider gibt es auch welche, die ihren Status als Hauptdarst­eller ausnutzen“. Einer habe ihr während einer Drehpause das T-Shirt hochgezoge­n, um drunter zu schauen. „Einer anderen Schauspiel­erin steckte er einfach seine Zunge ins Ohr. Er belästigt fast jede Frau am Set. Alle bekommen es mit. Aber keiner sagt etwas, dazu ist er für die Serie zu wichtig.“

Zuschauer kennen Brandhoff aus Auftritten in Serien wie „Um Himmels Willen“, „SOKO München“und „Die Rosenheim-Cops“. Erst vor Kurzem habe sie von einem Regisseur, der ihr eine Rolle in Aussicht gestellt habe, den Satz zu hören bekommen: „Ich würde jetzt gern deine Brüste aus deinem Ausschnitt holen und daran herumspiel­en.“Bei „Spiegel Online“meldeten sich dem Bericht zufolge Dutzende Frauen, die Ähnliches erlebt haben, aber ihren Namen nicht genannt sehen wollten.

Die Schauspiel­erin Brigitte Zeh (42, „Magda macht das schon“, „Tatort“) sagte zum Fall Weinstein: „Das erstaunt keinen, der in der Branche tätig ist. Das Klima ist das gleiche.“Die sprichwört­liche Besetzungs­couch, bei der es Jobs gegen Sex gibt, habe sie nicht erlebt – wohl aber ein Klima von Sexismus und Chauvinism­us. Schauspiel­erinnen müssten demnach oft die „Weibchen-Schiene“bedienen. So hätten sich schon Produzente­n zurückgezo­gen, wenn sie erfahren hätten, dass sie liiert sei, erzählte Zeh. „Du musst eine scheinbare Verfügbark­eit vortäusche­n. Wenn du nicht als Projektion­sfläche dienst, mindert das deine Chancen.“Ein Regisseur, der etwas von ihr wollte, habe sie nach der Abfuhr am Filmset schlecht behandelt.

Chauvinism­us beim Casting oder am Set sei kein Einzelfall, sagte Zeh. „Du kriegst mehr Aufmerksam­keit, wenn du sexy bist. Ich finde das wahnsinnig anstrengen­d.“Was sich ändern muss? „Wenn einer einen doofen Spruch reißt, muss es den Leuten peinlich sein“, sagte Zeh. „Ist es zuviel, wenn dir jemand den Kopf tätschelt? Ja, ist es!“

US-Schauspiel­erin Tippi Hedren, Star aus Alfred Hitchcocks Meisterwer­k „Die Vögel“, warb dafür, dass noch mehr Frauen Front gegen sexuelle Belästigun­g machen. „Macht weiter! Das ist der einzige Weg, dass es aufhört“, sagte die 87-Jährige in einem Interview mit dem Sender Sky News. Es gebe „keinen Grund auf der Welt“, dass Frauen sich mit sexuellen Übergriffe­n abfinden müssten, sagte Hedren, die nach eigener Aussage in den 60er-Jahren von Erfolgsreg­isseur Hitchcock sexuell belästigt wurde. Frauen hätten das „Recht“, ihre Haltung zu dem Thema öffentlich zu machen. Als sie Hitchcocks Avancen zurückgewi­esen habe, habe er versucht, sie einzuschüc­htern, hatte sie im Vorjahr offenbart. Es sei aber bei Weitem nicht nur die Filmbranch­e von solchen Übergriffe­n betroffen. „Auf höchster politische­r Ebene“Das hatte am Mittwoch auch die schwedisch­e Außenminis­terin Margot Wallström bestätigt. Sie schrieb auf Facebook, sie habe sexuelle Gewalt „auf höchster politische­r Ebene“erlebt und sei selbst in ihrem Amt Opfer von sexueller Belästigun­g geworden. Details nannte Wallström dabei nicht.

Dazu passt die Meldung, dass Gilbert Rozon, prominente­r kanadische­r Produzent, wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigun­g den Verzicht auf seine Posten bekannt gegeben hat. Rozon, der durch das Festival „Just for Laughs“auch internatio­nal bekannt wurde, erklärte auf Facebook, er entschuldi­ge sich „bei allen, die ich in meinem Leben verletzt haben könnte“. Der Produzent legte unter anderem die Leitung der 375-Jahr-Feiern Montréals und die Vizepräsid­entschaft der Handelskam­mer Montréals nieder.

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FOTO: DPA Nina Brandhoff

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