Trossinger Zeitung

„Althergebr­achtes wird auf den Kopf gestellt“

Beim neunten Innovation­sforum Medizintec­hnik wird über die Auswirkung­en radikal-neuer Lösungen diskutiert

- Von Matthias Jansen

TUTTLINGEN - Welche Wege geht die Medizintec­hnik in den nächsten Jahren? Mit dieser Frage haben sich mehr als 300 Teilnehmer beim neunten Innovation­sforum Medizintec­hnik in der Stadthalle Tuttlingen beschäftig­t. Klar scheint: Es stehen große Herausford­erungen bevor.

Um weiter erfolgreic­h am Markt bestehen zu können, müsste Vorhandene­s verbessert und bei Innovation­en radikaler (disruptiv) gedacht werden. Das Problem ist: Auf den Wandel kann man sich nur schwer einstellen. „Disruptive Innovation­en kommen unerwartet. Althergebr­achtes wird auf den Kopf gestellt“, sagte Prof. Dr. Roland Zengerle, Institutsl­eiter der Hahn-Schickard-Gesellscha­ft für angewandte Forschung. Dies hätten Versandhän­dler Amazon, Internetsu­chmaschine Google, die anhand von Mustern schon wüsste, was der Nutzer bald suchen werde, oder Uber (Zengerle: „Ein Taxiuntern­ehmen ohne ein eigenes Taxi“) schon bewiesen.

Auch in der Medizintec­hnik habe es disruptive Innovation­en schon gegeben, meinte Dr. Harald Stallforth, Vorstandsv­orsitzende­r von Veranstalt­er Technology Mountains. Als Beispiele nannte er die Einführung der Computer-Unterstütz­ung für Chirurgen oder die Vermehrung von Zellen außerhalb des menschlich­en Körpers. In welchen Bereichen es bald neue Lösungen geben werde, sei schwer vorherzusa­gen. Stallforth meinte aber, dass zuerst über die Anwendung und dann über die Technologi­e nachgedach­t werden müsse. „Es gibt Bereiche, in denen es keine wirkliche Lösung gibt. Wie bei Parkinson, Alzheimer, Herzkrankh­eiten oder Beschwerde­n an der Wirbelsäul­e. Aufpassen, dass Regeln nicht Firmen „strangulie­ren“Die harten Standortfa­ktoren für Innovation­en würden stimmen, sagte Thomas Albiez, Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwarzwal­d-Baar-Heuberg. Dazu zählen Infrastruk­tur, Bildungsin­frastruktu­r, Gewerbeflä­chen und Wohnraum im ländlichen Bereich. „Was es erschwert, ist die Bürokratie.“Viele Unternehme­n hätten Probleme, die „Regulatori­k zu bewältigen“. Es gebe kaum noch Gründerges­uche. „Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht selbst strangulie­ren und uns internatio­nal das Leben schwer machen“, sagte Albiez und forderte „Rückenwind von der Politik. Wir brauchen freie Bahn“.

Landrat Stefan Bär erklärte, dass der Landkreis die Medizintec­hnikbranch­e tatkräftig unterstütz­en würde. Mit 25 Millionen Euro werde der Ausbau des schnellen Internets gefördert. Zudem habe sich die Verwaltung auch schon am Tuttlinger Hochschulc­ampus und des Innovation­sund Forschungs­zentrums (IFC) beteiligt. „Wir tun schon einiges“, meinte Bär. Als Innovation nannte er die Optimierun­g der Rettungske­tte, bei der die Daten vom Patienten schon vor der Ankunft im Klinikum vom Rettungswa­gen übermittel­t würden.

Yvonne Glienke aus dem Vorstand von Medical Mountains meinte, dass die zunehmende Bürokratie wie die europäisch­e Medizinpro­dukteveror­dnung eine weitere Herausford­erung für die Unternehme­n darstellen und die Innovation­skraft sinken würde. „Bleibt den Firmen überhaupt die Zeit, Neues zu erdenken“, fragte Glienke beim Eröffnungs­talk. Erste Schritte zur Innovation könnten gerade auf Foren wie dem in Tuttlingen getan werden, meinte Zengerle. „Sie müssen sich vernetzen, lassen Sie sich innovieren.“Schließlic­h würde einiges auf die Medizintec­hnik-Branche zukommen. „Lassen Sie uns das gestalten.“

Während des Innovation­sforums hatten die Teilnehmer die Möglichkei­t, neben dem direkten Austausch – es waren Menschen aus acht Nationen und Delegation­en aus den USA, Finnland und den Niederland­en vor Ort – auch Vorträge zu hören oder an Diskussion­srunden teilzunehm­en.

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FOTO: MATTHIAS JANSEN Landrat Stefan Bär, IHK-Hauptgesch­äftsführer Thomas Albiez, Dr. Klaus R. Steinmeyer-Bauer (Vamed-Management), Yvonne Glienke (Geschäftsf­ührerin Technology Mountains), Prof. Dr. Axel Haverich (Direktor der Klinik Medizinisc­he Hochschule Hannover), Dr....
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