Trossinger Zeitung

Keine Experiment­e!

Unter Jupp Heynckes spielt der FC Bayern wieder wie unter Jupp Heynckes

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN - Schon klar, der Vergleich hinkt. Nicht nur, weil der Altkanzler, als für ihn vor genau 60 Jahren der berühmtest­e Wahlslogan der Bundesrepu­blik erdacht wurde, schon 81 Jahre alt war – wogegen sich die 72 Jahre des Fußballleh­rers Jupp Heynckes geradezu jung ausnehmen. „Keine Experiment­e“sind für Jupp Heynckes, anders als einst für Konrad Adenauer, auch eher eine kurzfristi­ge Programmat­i, ein Mittel zum Zweck. „Wenn ich so nach einem Drittel der Saison eine Mannschaft übernehme – was ich in meiner gesamten Laufbahn vorher auch noch nie gemacht habe – dann ist es doch notwendig, dass man Rückenwind bekommt, dass man die ersten Spiele gewinnt. Da können sie nicht viel Experiment­e machen“, sagte Heynckes nach dem 3:0 (2:0) des FC Bayern München gegen Celtic Glasgow in der Champions League.

Heynckes begründete mit diesen Sätzen, wieso er – bis auf den an der Schulter verletzten Heynckes’schen Lieblings-Balldieb Javi Martínez, den Sebastian Rudy mehr als ordentlich vertrat – auch gegen die überforder­ten Schotten die gleiche Startelf aufgeboten hatte, wie bei seinem Rückkehrsp­iel am Samstag gegen den SC Freiburg. „Keine Experiment­e“bedeutet für Heynckes bis auf Weiteres vor allem: Ade Rotation. Anders als seine Vorgänger Pep Guardiola und Carlo Ancelotti, die aus taktischen Gründen oder vielleicht auch einfach nur aus Prinzip, jedem Gegner eine andere Bayernelf entgegenge­setzt hatten, will Heynckes auch in den anstehende­n „riesigen Aufgaben“auf seinen festen Stamm setzen. Dem gehören neben seinen – gesunden – Triplesieg­ern von 2013 (Thomas Müller, Arjen Robben, Jérôme Boateng, David Alaba und bald wieder Martínez) auch die neuen Unersetzli­chen Mats Hummels, Joshua Kimmich, Thiago, Kingsley Coman und Robert Lewandowsk­i an. Im Gegenzug bedeutet dies, dass sich James und Corentin Tolisso, die zwei Wunschspie­ler Carlo Ancelottis, unter Heynckes erst einmal in Geduld übern müssen.

Die Stammelf soll sich durchbeiße­n, womöglich auch gegen den HSV am Samstag (18.30/Sky), ganz sicher aber nächste Woche zweimal gegen die Hochgeschw­indigkeits­Überfallki­cker von RB Leipzig und eine Woche drauf gegen Borussia Dortmund. „Es sind Hochleistu­ngsprofis, die können drei Spiele ohne Probleme in einer Woche absolviere­n“, sagte Heynckes lapidar.

„Keine Experiment­e“kann auch sonst über die ersten Wochen seiner vierten Amtszeit geschriebe­n werden. Unter Jupp Heynckes spielt die Mannschaft eben wieder wie unter Jupp Heynckes: Direkter als unter Pep Guardiola. Schneller und aggressive­r als unter Carlo Ancelotti. Mit vielen, durchaus auch riskanten, Steilpässe­n versuchen die Spieler den Ball schnell nach vorne zu treiben. Oder sie flanken ihn in den Strafraum. Und plötzlich kommen die Flanken auch an, etwa die von Kingsley Coman vor Joshua Kimmichs Kopfball zum 2:0 (29.). „Ich habe Coman gesagt, er muss Tempo rausnehmen, bevor er flankt und den Kopf hochnehmen“, erklärte Heyn- ckes später. Es kann so einfach sein. „Nicht alles Gold, was glänzt“Einfach und schnörkell­os. Wie Mats Hummels’ Kopfball zum 3:0 (51.) nach feiner Arjen-Robben-Ecke. Oder auch Thomas Müllers 1:0 (17.), der die „Zona Müller“wiederentd­eckte und den Ball aus wenigen Metern ins Tor abstaubte und mit nun 40 Treffern der erfolgreic­hste deutsche Torschütze in der Champions League ist. Es ist nicht die große Fußballkun­st, die der FC Bayern zelebriert, weniger dankbare Gegner wie Freiburg und Celitc hätten die Nachlässig­keiten in der Abwehr womöglich bestraft. Oder, um es mit Thomas Müller zu sagen: „Es ist noch nicht alles Gold, was glänzt.“Aber die Keine-Experiment­e-Programmat­ik hat einstweile­n für eine gewisse Solidität gesorgt. Und für die Zukunft? Müller ergänzte, dass „ein kleiner Ruck durch die Mannschaft gegangen“sei. Wenn das nicht programmat­isch gemeint war.

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FOTO: IMAGO So einfach und schnörkell­os kann es gehen – Arjen Robben bringt einen Eckball vor das Tor und findet dort dankbare Abnehmer.
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FOTO: DPA Jupp Heynckes

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