„Nicht kaputtgehen durch die Baustelle“
Monatelange Arbeiten an Hauptstraße lassen Umsätze der anliegenden Geschäfte sinken
SPAICHINGEN - Seit Mitte September ist ein Teil der Spaichinger Hauptstraße Großbaustelle – zwischen Charlottenstraße und dem ehemaligen Sauter-Gebäude, der Flüchtlingsunterkunft. Die Arbeiten zur Erneuerung von Kanälen und der Primverdolung sorgen bei den anliegenden Geschäftsleuten für gemischte Gefühle – einerseits wissen sie um die Notwendigkeit der Arbeiten, auf der anderen Seite fürchten manche durch die monatelange Baustelle inzwischen um ihre Existenz.
„In den ersten vier Wochen der Baustelle hatten wir 25 Prozent weniger Umsatz“, sagt Anna Müller, Inhaberin von „Annas Haarstudio“. Vor allem die Laufkundschaft bliebe weg. Ältere Kunden mit Rollatoren oder Rollstühlen könnten das Friseurgeschäft kaum erreichen. Kürzlich habe sich eine ältere Frau nicht getraut, den Laden über eine Rampe, die Bauarbeiter angebracht hatten, zu verlassen, berichtet Kristina Buchholz, eine von vier Beschäftigten. „Ich musste sie bis zum Ende der Baustelle begleiten.“
„Dass der Bürgersteig weg kommt, wussten wir nicht“, fühlen sich Müller und Buchholz nicht umfassend informiert über die Bauarbeiten. Die Stadt hatte im Vorfeld einen Flyer verteilt an die Anlieger, in dem über das Großprojekt informiert wird. Auch der Baustellenlärm sei stark, sagt Anna Müller, die Bauarbeiter „unfreundlich“. Sie nehme inzwischen Beruhigungstabletten. Seit zweieinhalb Jahren betreibt sie das Friseurgeschäft. Was sie jedoch derzeit erlebe, sei „unzumutbar – und existenzgefährdend“.
Spaichingens Bürgermeister Hans Georg Schuhmacher sagt dazu auf Anfrage, dass alle Bewohner und Anlieger dieses Bereichs der Hauptstraße in dem Info-Blatt umfassend über das Ausmaß und den Zeitraum der Bauarbeiten informiert worden seien.
„Ich will nicht kaputtgehen durch die Baustelle“, sagt Bekim Neziraj, Betreiber der Pizzeria „Mamma Mia“. Seine Zahlen sind in den vergangenen Wochen eingebrochen: Sonst gingen täglich 40 bis 50 Bestellungen ein von Leuten, die diese selber abholen – „derzeit sind es nur fünf oder sechs“. Wegen der Baustelle sei Kunden der Weg zu weit, „oder sie trauen sich nicht, rein zu fahren, oder haben Angst, einen Strafzettel zu bekommen“. Auch die Zahl der Restaurantgäste am Mittag hätte sich auf knapp 20 halbiert. Anfangs habe er viel vom Buffet wegwerfen müssen, inzwischen habe er sich auf den geringeren Andrang eingestellt. Auch habe er für drei Monate das Personal reduziert.
„Wenn die Baustelle ein halbes Jahr dauern würde, könnte ich zumachen“, verweist Neziraj auf die Rechnungen, die er zu zahlen habe. Laut Zeitplan soll der erste Bauabschnitt bis Anfang Dezember abgeschlossen sein; dann folgt der Abschnitt bis zum Kreisverkehr Oberstadt – bis April/Mai 2018 soll alles fertig sein. Neziraj, der die Pizzeria seit 2010 betreibt, ist sauer auf die Stadt: „Ich habe Verständnis dafür, dass die Arbeiten gemacht werden müssen – aber nicht dafür, dass die Stadtverwaltung den Geschäftsleuten nicht das Aufhängen von Hinweisschildern erlaubt“. Er zeigt ein Schild, das er am Oberstadt-Kreisel platzieren wollte, mit dem Hinweis, dass die Anfahrt zur Pizzeria über die Baustelle frei sei. Er habe mit der Stadtverwaltung gesprochen, aber er habe es nicht aufhängen dürfen - mit dem Verweis darauf, dass am Kreisverkehr bereits ein entsprechender Hinweis angebracht sei.
Auch Yong Liang Ye vom ChinaRestaurant „Zum Fässle“hat in den vergangenen Wochen feststellen müssen, dass „mittags weniger Leute zu uns kommen“. Abends und an den Wochenenden sei der Besuch dagegen stabil.
Auch Stefanie und Christian Elsner von der Werbeagentur „graphikpool“haben in den vergangenen Wochen umgedacht: So machen die beiden „Kundentermine derzeit eher auswärts“. Denn die vier, fünf Parkplätze vor dem Geschäft fielen momentan weg, „wir erklären unseren Kunden, wo sie alternativ parken können“. Im Vergleich zu anderen Anliegern hätten sie den Vorteil, „dass wir gezielt Termine machen und nicht von Laufkundschaft leben“. Und einen weiteren darin, einen Hintereingang zur Charlottenstraße zu haben. Die Baustelle sei „gut gemacht“, sagt das Ehepaar, „die Passanten können laufen“. „Furchtbar“sei indes der Lärmfaktor, sagt Stefanie Elsner. Zwar gewöhne man sich mit der Zeit an die Bagger, „aber dieses Dröhnen ist schlimm – das halbe Büro vibriert“. Der Baustellenlärm sei „schon belastend, wenn man sich konzentrieren muss“. „Da muss man jetzt durch“Die Baustelle sei zwar „nicht geschäftsfördernd, aber da muss man jetzt durch“, sagt Schuhmachermeister Frank Riewerts von „Schuhe & Stiefel“. Schließlich sei der Umbau eine Notwendigkeit. „Schimpfen nützt nichts – wir müssen das beste draus machen.“Er stelle keinen Umsatzeinbruch fest, nur zwecks Schuhreparaturen blieben einige Kunden weg. Für Ältere sei es beschwerlich, etwa mit dem Rollator durch die Baustelle zu kommen.
Die Bauarbeiter hat Riewerts, der sein Geschäft seit dem Jahr 2000 betreibt, als „hilfsbereit“erlebt – „wenn sie merken, dass Personenverkehr ist, bemühen sie sich, Metallbrücken hinzulegen“. Ein Video zur Großbaustelle sehen Sie bei www.schwaebische.de unter Spaichingen,Videos.