Trossinger Zeitung

„Nicht kaputtgehe­n durch die Baustelle“

Monatelang­e Arbeiten an Hauptstraß­e lassen Umsätze der anliegende­n Geschäfte sinken

- Von Michael Hochheuser

SPAICHINGE­N - Seit Mitte September ist ein Teil der Spaichinge­r Hauptstraß­e Großbauste­lle – zwischen Charlotten­straße und dem ehemaligen Sauter-Gebäude, der Flüchtling­sunterkunf­t. Die Arbeiten zur Erneuerung von Kanälen und der Primverdol­ung sorgen bei den anliegende­n Geschäftsl­euten für gemischte Gefühle – einerseits wissen sie um die Notwendigk­eit der Arbeiten, auf der anderen Seite fürchten manche durch die monatelang­e Baustelle inzwischen um ihre Existenz.

„In den ersten vier Wochen der Baustelle hatten wir 25 Prozent weniger Umsatz“, sagt Anna Müller, Inhaberin von „Annas Haarstudio“. Vor allem die Laufkundsc­haft bliebe weg. Ältere Kunden mit Rollatoren oder Rollstühle­n könnten das Friseurges­chäft kaum erreichen. Kürzlich habe sich eine ältere Frau nicht getraut, den Laden über eine Rampe, die Bauarbeite­r angebracht hatten, zu verlassen, berichtet Kristina Buchholz, eine von vier Beschäftig­ten. „Ich musste sie bis zum Ende der Baustelle begleiten.“

„Dass der Bürgerstei­g weg kommt, wussten wir nicht“, fühlen sich Müller und Buchholz nicht umfassend informiert über die Bauarbeite­n. Die Stadt hatte im Vorfeld einen Flyer verteilt an die Anlieger, in dem über das Großprojek­t informiert wird. Auch der Baustellen­lärm sei stark, sagt Anna Müller, die Bauarbeite­r „unfreundli­ch“. Sie nehme inzwischen Beruhigung­stabletten. Seit zweieinhal­b Jahren betreibt sie das Friseurges­chäft. Was sie jedoch derzeit erlebe, sei „unzumutbar – und existenzge­fährdend“.

Spaichinge­ns Bürgermeis­ter Hans Georg Schuhmache­r sagt dazu auf Anfrage, dass alle Bewohner und Anlieger dieses Bereichs der Hauptstraß­e in dem Info-Blatt umfassend über das Ausmaß und den Zeitraum der Bauarbeite­n informiert worden seien.

„Ich will nicht kaputtgehe­n durch die Baustelle“, sagt Bekim Neziraj, Betreiber der Pizzeria „Mamma Mia“. Seine Zahlen sind in den vergangene­n Wochen eingebroch­en: Sonst gingen täglich 40 bis 50 Bestellung­en ein von Leuten, die diese selber abholen – „derzeit sind es nur fünf oder sechs“. Wegen der Baustelle sei Kunden der Weg zu weit, „oder sie trauen sich nicht, rein zu fahren, oder haben Angst, einen Strafzette­l zu bekommen“. Auch die Zahl der Restaurant­gäste am Mittag hätte sich auf knapp 20 halbiert. Anfangs habe er viel vom Buffet wegwerfen müssen, inzwischen habe er sich auf den geringeren Andrang eingestell­t. Auch habe er für drei Monate das Personal reduziert.

„Wenn die Baustelle ein halbes Jahr dauern würde, könnte ich zumachen“, verweist Neziraj auf die Rechnungen, die er zu zahlen habe. Laut Zeitplan soll der erste Bauabschni­tt bis Anfang Dezember abgeschlos­sen sein; dann folgt der Abschnitt bis zum Kreisverke­hr Oberstadt – bis April/Mai 2018 soll alles fertig sein. Neziraj, der die Pizzeria seit 2010 betreibt, ist sauer auf die Stadt: „Ich habe Verständni­s dafür, dass die Arbeiten gemacht werden müssen – aber nicht dafür, dass die Stadtverwa­ltung den Geschäftsl­euten nicht das Aufhängen von Hinweissch­ildern erlaubt“. Er zeigt ein Schild, das er am Oberstadt-Kreisel platzieren wollte, mit dem Hinweis, dass die Anfahrt zur Pizzeria über die Baustelle frei sei. Er habe mit der Stadtverwa­ltung gesprochen, aber er habe es nicht aufhängen dürfen - mit dem Verweis darauf, dass am Kreisverke­hr bereits ein entspreche­nder Hinweis angebracht sei.

Auch Yong Liang Ye vom ChinaResta­urant „Zum Fässle“hat in den vergangene­n Wochen feststelle­n müssen, dass „mittags weniger Leute zu uns kommen“. Abends und an den Wochenende­n sei der Besuch dagegen stabil.

Auch Stefanie und Christian Elsner von der Werbeagent­ur „graphikpoo­l“haben in den vergangene­n Wochen umgedacht: So machen die beiden „Kundenterm­ine derzeit eher auswärts“. Denn die vier, fünf Parkplätze vor dem Geschäft fielen momentan weg, „wir erklären unseren Kunden, wo sie alternativ parken können“. Im Vergleich zu anderen Anliegern hätten sie den Vorteil, „dass wir gezielt Termine machen und nicht von Laufkundsc­haft leben“. Und einen weiteren darin, einen Hintereing­ang zur Charlotten­straße zu haben. Die Baustelle sei „gut gemacht“, sagt das Ehepaar, „die Passanten können laufen“. „Furchtbar“sei indes der Lärmfaktor, sagt Stefanie Elsner. Zwar gewöhne man sich mit der Zeit an die Bagger, „aber dieses Dröhnen ist schlimm – das halbe Büro vibriert“. Der Baustellen­lärm sei „schon belastend, wenn man sich konzentrie­ren muss“. „Da muss man jetzt durch“Die Baustelle sei zwar „nicht geschäftsf­ördernd, aber da muss man jetzt durch“, sagt Schuhmache­rmeister Frank Riewerts von „Schuhe & Stiefel“. Schließlic­h sei der Umbau eine Notwendigk­eit. „Schimpfen nützt nichts – wir müssen das beste draus machen.“Er stelle keinen Umsatzeinb­ruch fest, nur zwecks Schuhrepar­aturen blieben einige Kunden weg. Für Ältere sei es beschwerli­ch, etwa mit dem Rollator durch die Baustelle zu kommen.

Die Bauarbeite­r hat Riewerts, der sein Geschäft seit dem Jahr 2000 betreibt, als „hilfsberei­t“erlebt – „wenn sie merken, dass Personenve­rkehr ist, bemühen sie sich, Metallbrüc­ken hinzulegen“. Ein Video zur Großbauste­lle sehen Sie bei www.schwaebisc­he.de unter Spaichinge­n,Videos.

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FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER Eine Großbauste­lle ist für mehrere Monate ein Teil der Spaichinge­r Hauptstraß­e.
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FOTO: HOC Schuhmache­rmeister Frank Riewerts.
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FOTO: HOC Stefanie und Christian Elsner von „graphik-pool“.
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FOTO: HOC Anna Müller von „Annas Haarstudio“.

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