Trossinger Zeitung

Kulturvera­nstaltung enthält politische­n Sprengstof­f

Rednerlist­e lässt aufhorchen: Vertreter rechter türkischer Organisati­onen sollen in Spaichinge­n sprechen

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Eigentlich eine Kulturvera­nstaltung soll das sein, was am Samstag ab 16 Uhr in der Spaichinge­r Stadthalle stattfinde­t, eine türkische Nacht mit Musik und Tanz. Eine Benefizver­anstaltung zugunsten des Baus der Muhsin Yazicicogl­u-Moschee in Sarkisla im türkischen Bezirk Sivas, von wo sehr viele hier lebende türkischst­ämmige Familien stammen. Doch das Plakat, mit dem die Veranstalt­ung beworben wird, deutet auf ganz andere, politische Zusammenhä­nge hin.

Denn dort sind offenbar als Ehrengäste und Redner fünf Männer abgebildet, von denen vier dem politische­n Spektrum zuzuordnen sind: Der Bürgermeis­ter von Sarkisla, Ahmet Turgay, der Vorsitzend­e des Verbands der türkischen Kulturvere­ine in Europa (nach dem türkischen Namen abgekürzt ATB), Erol Yazicioglu, der Vorsitzend­e der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) in Baden, Levent Polat, und Bürgermeis­ter Hans Georg Schuhmache­r. Außerdem ist neben dem Foto des Imams der Moschee das Foto des Namensgebe­rs dieser Moschee, für die in der „Nacht der Solidaritä­t und Hilfe“gesammelt werden soll, abgebildet, Muhsin Yazicioglu. Er war der am 25. März 2009 bei einem Flugzeugab­sturz ums Leben gekommene Gründer und Vorsitzend­e der Großen Einheitspa­rtei (BBP).

Veranstalt­er des Abends ist der türkische Elternbeir­at von Spaichinge­n und Umgebung, der seit Jahren die türkischen Kinderfest­e zum Nationalfe­iertag organisier­t. Der Vorsitzend­e Ibrahim Özbudak sagt auf Anfrage dieser Zeitung, die Gäste seien nicht als Politiker, sondern als Vereinsver­treter eingeladen und würden dort auch nicht über Politik sprechen, davon könne man sich gerne überzeugen.

Die auf dem Plakat abgebildet­e Redner- und Gästeliste birgt eine gewisse Brisanz, denn verschiede­ne Quellen ordnen die betroffene­n Organisati­onen dem rechts-islamistis­chen türkisch-politische­n Spektrum zu bis hin zu den faschistis­ch geltenden Grauen Wölfen. Auf seinen Auftritt in diesem Rahmen angefragt, sagt Bürgermeis­ter Schuhmache­r, er wisse weder von der Veranstalt­ung, noch von dem Plakat etwas. Er hätte gar nicht teilnehmen können, weil er bis Sonntag im Urlaub sei. Und er hätte so auch nicht teilgenomm­en. Wahrschein­lich habe die für die Halle zuständige Mitarbeite­rin die Halle vermietet. Er werde dem nachgehen. „Eigentlich wollen wir keine politische­n Veranstalt­ungen in der Halle.“

So ordnen verschiede­ne Quellen die beteiligte­n Organisati­onen und Personen ein: Der verstorben­e BBPVorsitz­ende war Mitglied der Grauen Wölfe und Vorsitzend­er der „Idealisten­vereine“– so nennen sich die Anhänger der Ideologie heute. Unter den zwei Parteien, die diese vertreten, ist nach dem Politikwis­senschaftl­er Kemal Bozay die BBP die Trägerin der Ideologie der Grauen Wölfe.

Der Bürgermeis­ter der Stadt Sarkisla gehört der Erdogan-Partei AKP an.

Der ATB ist nach Einschätzu­ng verschiede­ner Quellen, darunter des bayerische­n Innenminis­teriums (in einer Antwort auf eine SPD-Anfrage im Landtag), als ein Dachverban­d der „Idealisten“-Bewegung (Graue Wölfe) zu werten.

Die UETD gelte „als die inoffiziel­le Auslandsor­ganisation der türkischen AKP“, so der Landesinne­nminister im April 2017 auf eine FDP-Anfrage im Landtag. Die „Osmanen Germania“, eine Rockergrup­pe mit szeneüblic­hem Kriminalit­ätsspektru­m, stehe in Verbindung zu der UETD, heißt es in derselben Antwort weiter. Sie übernähmen bei deren Demonstrat­ionen Ordnungsdi­enste.

Schließlic­h bezeichnet der Landes-Verfassung­sschutz in seinem Bericht 2016 die UETD als „AKP-Plattform“und vermutet, dass bei den von ihnen organisier­ten Demonstrat­ionen auch Gruppierun­gen wie Milli Görusüs teilgenomm­en haben, die vom Verfassung­sschutz beobachtet werden. Die UETD und ATB werden aber nicht vom Verfassung­sschutz beobachtet.

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FOTO: SZ Musik und Tanz sollen im Mittelpunk­t stehen. Die abgebildet­en Personen lassen aber aufhorchen. Bürgermeis­ter Schuhmache­r sagt, er wisse nichts von diesem Plakat und der Veranstalt­ung.

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