„Es werden Rote Linien überschritten“
Arbeitgeber zeigen sich von den aktuellen Forderungen der IG Metall schockiert
TUTTLINGEN - Anfang kommenden Jahres drohen auch im Landkreis Tuttlingen Warnstreiks in der Metallund Elektroindustrie. Die Fronten nach den Forderungen seitens der Gewerkschaft IG Metall (IGM) sind schon jetzt verhärtet, obwohl die aktuelle Tarifrunde erst Ende des Jahres beginnt. Arbeitgeber-Vertreter sprachen bei einem Pressegespräch am Dienstagabend beim Tuttlinger Medizintechnik-Unternehmen Henke-Sass, Wolf von „Roten Linien“, die die IGM jetzt überschreiten würde.
Wie in unserer Mittwochausgabe im Wirtschaftsteil berichtet, sollen nach der Forderung der IGM Arbeitgeber ihre Arbeitszeit bis zu zwei Jahre lang von 35 auf 25 Stunden reduzieren und im Anschluss wieder 35 Stunden arbeiten können. Das soll für Arbeitnehmer möglich werden, die Kinder unter 14 Jahren haben oder Angehörige pflegen müssen. Dazu sollen die Arbeitgeber einen Entgeldzuschuss zahlen. Zudem fordert die Gewerkschaft einen Lohnzuwachs von sechs Prozent.
Diese Forderungen lehnt die Bezirksgruppe Schwarzwald-Hegau vom Arbeitgeberverband Südwestmetall ab. Am Dienstagabend besprachen sich dazu die Unternehmerkontaktgruppen VillingenSchwenningen/Furtwangen und Konstanz-Singen/Tuttlingen. „Die Reaktion auf die Forderungen der IG Metall waren in der Kontaktgruppe so heftig wie schon seit Langem nicht mehr. So emotional kenne ich das gar nicht. Es wurde gesagt, dass Rote Linien überschritten werden“, berichtete Peter Decker, Geschäftsführer von Henke-Sass, Wolf. Das könne von den Arbeitgebern nicht hingenommen werden. Die Gewerkschaft wolle laut Decker nur das in ein Korsett hineinpressen, was derzeit schon gelebte Praxis sei. Um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben, würden die Unternehmen schon längst auf die individuellen Bedürfnisse der Arbeitnehmer Rücksicht nehmen. Fachkräfte schwer zu finden Bezirksgruppen-Geschäftsführer Ralph Wurster betonte, dass die Arbeitgeber jetzt schon Probleme haben würden, Fachkräfte zu finden. Das gelte laut Gabriel Berger, Geschäftsführer der Abteilung Tarifpolitik/Tarifrecht bei Südwestmetall, inzwischen auch schon für Anlernkräfte. Die Situation würde durch die Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden für zwei Jahre noch verschärft werden. Was die Arbeitgeber ärgert: Laut Tarifvertrag dürfen nur 18 Prozent der Arbeitnehmern mehr als 35 Stunden pro Woche arbeiten. „Die IG Metall macht keine Anstalten, das Volumen auch nach oben zu setzen. Es geht nur nach unten, nicht nach oben“, sagte Benedikt Lenhart, Personalchef von IMS Gear in Donaueschingen. Auch wenn die wirtschaftliche Lage derzeit gut sei, stünde die Branche vor Herausforderungen: „Wir müssen jetzt in die Entwicklung investieren“, betonte Lenhart. Auch daher weist Südwestmetall die Forderung nach sechs Prozent mehr Lohn zurück: „Die Unternehmen müssen die Entgelderhöhung auch überlegen können“, sagte Frank Springorum, Geschäftsführer des Hammerwerks Fridingen. „Nicht mehr Spielraum“Er betonte, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in den vergangenen Jahren gesunken sei, da die Produktivität nicht in dem Maße wie der Lohn gestiegen sei. Schon heute würde in der Metall- und Elektroindustrie in der Region ein Durchschnittslohn von 60 000 Euro bezahlt werden: „Da ist nicht mehr Spielraum. Die sechs Prozent waren ein Schock für die Unternehmen“, sagte Wurster. Die Tendenz, dass einfache Arbeiten ins Ausland verlagert werden, würde dadurch weiter steigen.