Es geht um kulturelle Pluralität
Zum Artikel „Dramatische Entwicklung in Katalonien“(28.10.): Katalonien ist in den Augen der spanischen Regierung und leider auch nicht weniger Spanier eher eine Kolonie, die ausgepresst werden darf und die zu gehorchen hat. Kataloniens kulturelle Besonderheit wird von diesen nicht etwa als Bereicherung betrachtet, sondern als störend, ja als Gefahr empfunden, angefeindet und ihr Erhalt infrage gestellt. Wenn eine Staatsgrenze von Nöten ist, um einer Kultur zur Geltung und zu ihrem Recht zu verhelfen, dann ist sie erforderlich und gerechtfertigt im Sinne eines Europa der Regionen, das doch angestrebt und erwünscht wird. Welch maßloser Überheblichkeit überführt sich Junker, wenn er dagegen sagt, er wolle nicht 95 verschiedene europäische Staaten. Es geht nicht darum, was Herr Junker will, sondern um kulturelle Pluralität und die demokratischen Werte der Selbstund Mitbestimmung, gerade auch für Minderheiten. Genau dies scheint aber nicht im Sinne der EU-Führung zu sein. In Konflikten wie der katalanischen Frage werden die Weichen gestellt: Wenn uns an einem kulturell vielfältigen, demokratischen Europa gelegen ist, tun wir Bürger gut daran, genau hinzusehen und uns sehr gut zu überlegen, auf wessen Seite wir uns stellen. Maximilian Claus, Lindau Schöne, wohlige Atmosphäre Zum Artikel „Unterschätztes Kuschelritual“(25.10.): Schon seit Jahren halte ich Vorträge zum Thema Ermutigende Erziehung. Wenn immer möglich, weise ich darauf hin, wie wichtig Vorlese-Rituale für die Kinder und ihre Entwicklung sind. Die Eltern, die da sind, nehmen das gerne und zustimmend auf. Von Erzieherinnen höre ich regelmäßig, dass leider wieder die, die man gerne zum Vortrag begrüßt hätte, nicht gekommen sind. So heterogen, wie die Kinder in den Gruppen und Klassen sind, so sind es auch ihre Eltern.
Mein Vorschlag: es wird so viel Negatives oder Vergleichendes unter Eltern ausgetauscht – wie wäre es, wenn Mütter und Väter in geselliger Runde mehr über das sprechen, was wirklich wichtig und schön ist. Zum Beispiel über die wohlige Atmosphäre beim abendlichen Vorlese-Ritual. Friederike Höhndorf, Biberach 95 Thesen waren nicht die Ursache Zum Artikel „Der 500. Jahrestag der Reformation“(30.10.): Unter dem Lutherbild auf der Titelseite hatte ich die Information erwartet: „Die Veröffentlichung der 95 Thesen markiert den Beginn der Reformation.“Stattdessen texten Sie: „Mit dem Anschlag der 95 Thesen durch Martin Luther wurde vor 500 Jahren die Spaltung der christlichen Kirche eingeleitet.“Die 95 Thesen Luthers lassen sich wahrlich nicht als Ursache für die Kirchenspaltung benennen – und das aus mehreren Gründen. Luther hatte sie auf Latein abgefasst und wollte eine Disputation mit anderen Gelehrten erreichen; die aber kam nicht zustande. Er sandte diese Thesen auch seinem Erzbischof zu; der aber benötigte die Erlöse aus dem Ablasshandel und denunzierte Luther beim Papst. Papst Leo X. wiederum interessierten eher weltliche als geistliche Fragen; er brauchte das Geld zum Bau des Petersdomes.
In seinen Thesen stellte Luther positiv fest, dass der Papst die Schlüsselgewalt in der Kirche innehabe und dass der Heilige Geist durch den Papst wirke. Luther wandte sich ausdrücklich dagegen, „die Christenheit unglücklich zu machen.“Er geißelte die Ablassprediger als „Feinde Christi und des Papstes“. An der Messe am folgenden Allerheiligentag dürfte Luther mit Sicherheit teilgenommen haben. Dr. Thomas Knöppler, Heroldstatt Liebe Leserinnen, liebe Leser, Schwäbische Zeitung Karlstraße 16 88212 Ravensburg Fax-Nr. 0751 / 295599-1499 Leserbriefe@schwaebische-zeitung.de