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Zum Klimagipfel präsentiert die Bundeskunsthalle Bonn die Ausstellung „Wetterbericht“
BONN - Eine charmante Ausstellung: Zum Weltklimagipfel zeigt die Bonner Bundeskunsthalle ihren „Wetterbericht“. Eine bunte Revue: Nebel, Regen, Blitz und Donner – ein Dutzend Wetterphänomene, Klimafaktoren und Tageszeiten untergliedern die weitläufige Präsentation. Sie holt die Besucher mit der Wetterkarte des Fernsehens ab. Den Einfall kostet sie flächendeckend aus: Karsten Schwanke, den man aus diesen Sendungen kennt, führt auf den Monitoren in jedes Thema ein.
Die Zielgruppe sind offensichtlich Schulklassen. Im Blick auf die Inklusion gelingen dem Kuratorenteam originelle Inszenierungen, die blinden Menschen Begreifliches bieten, was auf Sehende poetisch wirkt: die Tast-Skulptur „Meerwelle im Auslauf “der blinden Künstlerin Karla Fassbender etwa, ein luftiges Mobile aus Wolle-Wölkchen, ein großes 3-D-Modell einer Schneeflocke. Oder auch die „Donnerbank“, die Gehörlosen die Vibrationen eines Gewitters vermittelt.
Neben dem Wetterdienst kooperiert die Ausstellung mit dem Deutschen Museum in München, dem sie die technischen Exponate verdankt: allerlei Geräte zur Vermessung und Erforschung der Wetterphänomene. Oder zum Schutz vor ihnen: Schirm, Ölzeug, wetterfester Schuh (Fritz Walters Stollentreter vom verregneten Endspiel 1954) bis zu Nebelhorn, Windfahne und Blitzableiter.
Die Behauptung der Ausstellungsmacher, dass man Exponate „von höchster Qualität“versammelt habe, trifft für die Naturwissenschaften zu, auf den künstlerischen Part nicht. Eher ist das Gegenteil der Fall, gerade renommierte Bilder der Kunstgeschichte fehlen (und müssen in diesem Zusammenhang auch nicht sein). Aber die Auswahl ist streckenweise ineffektiv. Von Otto Modersohn, der schon mit Ölgemälden („Gewitter“) üppig vertreten ist, gibt es eine nicht enden wollende Folge von Wolkenstudien. Sie sind verzichtbar angesichts von Luke Howards Klassifikation der Wolkentypen (1802). Denn der englische Forscher war zugleich ein begabter Zeichner.
Ein weiteres Beispiel: Der Klimawandel lässt sich in unseren Breiten bekanntlich an der Ausdehnung der Alpengletscher ablesen. Man könnte daran sogar den Unterschied zwischen natürlichem und menschengemachtem Klimawandel darstellen, was hier unterbleibt. Eine Computerdarstellung zum Thema als Weltkarte ist unübersichtlich. Die Repräsentation der dahinschmelzenden Gletscherwelt an Hand von Andreas Gurskys Foto-Komposition „ Aletschgletscher“dokumentiert allenfalls den Kunstmarkt-Trend zum Großformat. Zur Naturgeschichte trägt Gurskys Arbeit nichts bei. Statt der Veränderung bedient sie das Klischee von alpiner Monumentalität und „ewigem Eis“.
Wie es besser geht, hat 2014 das Kunstmuseum Basel in seiner Ausstellung zu Caspar Wolf gezeigt, einem Pionier der Alpenmalerei. Es führte die Veränderung der Bergwelt dadurch vor, dass es Fotos an den Standorten machen ließ, an denen der Maler um 1775 seine Skizzen anfertigte. Und selbst noch die schlichteste Sammlung von Ansichtskarten etwa des Rhonegletschers aus den letzten 50 Jahren würde die Veränderungen dokumentieren. Man muss allerdings anerkennen, dass die Kuratoren eine Virtuosität darin entwickeln, auch abwegigste Exponate, wie etwa Rudi Dutschkes Lederjacke, einzubinden. Historische Vorhersage aus Ulm Zwei Exponate haben ein Bezug zur Region. Eine Flugschrift, die 1775 in Ulm erschienen ist, beschäftigt sich mit Gelehrtenmeinungen zu Wunder-, Blut- und Korn-Regen. Und „die vielleicht wichtigste Wettervorhersage der Geschichte“führt ebenfalls nach Ulm. Sie dokumentiert den „DDay“. Zu sehen sind Wetterkarten vom 6. Juni 1944, eine britische und eine deutsche. Für die Invasion wartete General Eisenhower auf gutes Wetter. Das Meer zeigte sich lange für Landungsboote zu stürmisch, der Himmel für Flieger zu wolkig. Für die Morgenstunden des 6. Juni sagten die Meteorologen der Alliierten eine kurze Wetterberuhigung voraus. Die Zentrale Wetterdienstgruppe in Potsdam erkannte das Aufklaren nicht, und im Vertrauen auf die anhaltende Schlechtwetterperiode reiste Erwin Rommel, Befehlshaber in der Normandie, kurzfristig nach Hause ab: zum 50. Geburtstag seiner Frau in Herrlingen.
Die Ausstellung und der schön gemachte Katalog beginnen mit einem Vorwort von Patricia Espinosa von der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. Sie plädiert dafür, dass jeder ein Botschafter des guten Willens sein möge. Auf der Apell-Ebene bleibt auch die Ausstellung. Denn eine kritische Bilanz der Umweltpolitik riskiert sie nicht. Der Beitrag im Katalog zum Klimawandel zeigt eine Tabelle zum anhaltenden Anstieg des Kohlendioxids in der Atmosphäre. Am deutschen Diesel-Wesen ist die Welt nicht genesen, im Gegenteil.
Für derlei Dahindümpeln findet die Ausstellung ein Gleichnis in ihrem Schatzkästlein der weit hergeholten Bilderklärung. Zum harmlosen Seestück mit Meereswellen des Hamburger Malers Johannes Holst stellt sie einen Kommentar des rumänischen Skeptikers C. M. Cioran: „Begännen die Wellen nachzudenken, würden sie glauben, dass sie vorankämen, Fortschritte machen, zum Wohle des Meeres arbeiten. Und sie würden es nicht versäumen, eine Philosophie zu erarbeiten, die ebenso dämlich ist wie ihr Eifer.“ Dauer: bis 4. März, Öffnungszeiten: Di. und Mi. 10-21 Uhr, Do. bis So. sowie Fei. 10-19 Uhr. Katalog, 35 Euro. Weitere Infos unter: www.bundeskunsthalle.de