Stadtverwaltung setzt auf weibliche Führungskräfte
Im September hat ein Programm begonnen, das Frauen schult – Chancengleichheit Thema im Ausschuss
TUTTLINGEN - 757 Mitarbeiter gibt es bei der Stadt Tuttlingen. 67 Prozent davon sind Frauen. Doch der Anteil an weiblichen Führungskräften in Fachbereichs- und Stabsstellenleitungen liegt nur bei 33 Prozent. Das soll anders werden. Seit September gibt es das Programm „Female Leadership“bei der Stadtverwaltung, das laut Chancengleichstellungsbeauftragter Lucia Faller das Ziel verfolgt, Frauen auf Führungspositionen vorzubereiten. Zwölf Frauen nehmen am Projekt teil.
Faller stellte den Chancengleichheitsplan der Stadt Tuttlingen am Montag in der Sitzung des Verwaltungsund Finanzausschusses vor (siehe Kasten). „Grundsätzlich kann ich sagen, dass die Stadtverwaltung alles tut, damit jede Frau, die das möchte, die Chance hat, bei uns zu arbeiten“, sagte sie.
Es gebe individuelle Arbeitszeitmodelle, in denen darauf eingegangen werde, wie, wie viel und wann jede Mitarbeiterin arbeiten möchte. Mit Beschäftigten, die in Elternzeit sind, werde intensiv Kontakt gehalten, damit der Wiedereinstieg einfacher wird. Faller: „Zudem ist es möglich, auch als Führungskraft in Teilzeit zurückzukommen.“
Und jetzt das Aber: Trotz aller Bemühungen und Anstrengungen sieht Faller Nachholbedarf in den oberen Führungsebenen, zum Beispiel bei den Fachbereichsleitern „und ganz oben, bei Oberbürgermeister und seinen Beigeordneten“. Deshalb wurde mit dem neuen Programm „Female Leadership“(weibliche Führung) ein Konzept entwickelt, um Nachwuchsführungskräfte für diese Ebenen vorzubereiten und ihnen das notwendige Rüstzeug mitzugeben, um sich durchzusetzen. Als Coach wurde die Tuttlingerin Gerda Schneider mit ins Boot geholt. Männer in Elternzeit fördern Im Chancengleichheitsplan der Stadtverwaltung sind weitere Ziele formuliert. So zum Beispiel die Förderung der Elternzeit bei männlichen Mitarbeitern, der Abbau geschlechtsspezifischer Besetzung von Ausbildungsstellen und der Ausbau an Tele- und Teilzeitarbeitsplätzen.
Um die Zahl der Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, werden bereits bei Stellenausschreibungen Servicezeiten und individuelle Arbeitszeitregelungen benannt und im Bewerbungsgespräch familienfreundliche Maßnahmen vorgestellt. Weitere Punkte sind: Das Image der Stadtverwaltung neben „familienfreundlich“auf „karrierefreundlich für Mütter und Pflegende“auszuweiten und Arbeitsabläufe so zu ändern, dass auch Teilzeitkräfte an Besprechungen teilnehmen können.
Im Gremium gab es eine lebhafte Diskussion zum Thema. Simone Bühler (LBU) zeigte sich „eigentlich erfreut über diese Zahlen“, wies aber darauf hin, dass beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf neben Eltern vor allem Pflegende im Fokus stehen sollten. Unterstützung bekam sie von Renate Gökelmann (CDU). Lucia Faller bekräftigte, dass dieses Problem erkannt sei und die Maßnahmen und Modelle ebenso für pflegende Angehörige gelten würden.
Aus Hans-Peter Benschs (FDP) Sicht „sind wir bei der Chancengleichheit auf einem guten Weg, können aber noch mehr tun“. Bemerkenswert fand Cornelia SeiterichStegmann (CDU) die Möglichkeit, Arbeitszeitmodelle an unterschiedliche Lebensphasen anzupassen. Ihr erschien es aber schwierig, Führungspositionen in Teilzeit zu besetzen, da Präsenz gefordert werde, auch von den Bürgern. „Das ist ein experimentierfreudiger Ansatz“, sagte sie, das Ziel müsse schließlich sein, solche Positionen nach der Qualität der Bewerber zu besetzen.
„Nicht ganz so rosarot“wie seine Stadtrat-Kollegen sah Hans-Martin Schwarz (LBU) die Situation in der Verwaltung an: „Zufrieden kann man erst sein, wenn 50 Prozent der Leitungspositionen von Frauen besetzt sind. Und davon sind wir weit weg.“Unter Umständen müssten Männer auch mal beiseite treten, um Frauen den Vortritt zu lassen, so seine Forderung. Oberbürgermeister Michael Beck sagte, dass er jungen Frauen viel zutraue und sie ermutige und auffordere, sich für Leitungsstellen zu bewerben. „Ich wünschte, es gebe mehr Frauen, die das tun würden“, so der OB. Erster Bürgermeister Emil Buschle ergänzte, dass sich die Situation bald von selbst ändern werde: Ein Großteil der Studenten an der Fachhochschule Kehl seien mittlerweile Frauen. „Von vier Bewerbern sind künftig drei weiblich“, sagt er.