Mit Augenmaß
Ist es überhaupt noch zeitgemäß, beim Thema Chancengleichheit Frauen in den Fokus zu stellen? Wie in der Sitzung am Montag angesprochen wurde, gibt es mittlerweile mehr Mädchen, die Abitur machen, und mehr Frauen, die studieren. In den Kindergärten und Grundschulen tun sie sich oft leichter, wohl auch, weil sie vor allem auf Frauen im Erzieher- und Lehrerkreis treffen.
Aber ja: Es ist zeitgemäß, denn wie die Zahlen der Stadtverwaltung Tuttlingen zeigen, sind zwar auch hier die Frauen in der Überzahl, aber in den Führungspositionen weit unterrepräsentiert. Kinder zu kriegen, ist nach wie vor vielfach ein Karriereknick. Hier mit ungewöhnlichen Modellen gegenzusteuern, und dazu gehört auch ein Teilzeitmodell in Führungsposititionen oder eine Stellenteilung auf zwei Mitarbeiter, ist sicherlich der richtige Weg. Auch für die Stadtverwaltung Tuttlingen, bei der im übrigen tatsächlich viel unternommen wird, um gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Amt zu halten.
Man muss aber auch aufpassen, den Bogen nicht zu überspannen. Wenn Frauen ermutigt werden, sich auf Führungsposten zu bewerben, muss das Gleiche für Männer gelten. Und die Forderung, dass ein Mann auch einmal zurücktreten müsse, um beim Rennen um einen Leitungsjob einer Frau den Vortritt zu lassen, hat nichts mit Chancengleichheit zu tun, sondern mit dem Verkennen von Realitäten. Auch Mitarbeiter haben einen Anspruch darauf, den besten Bewerber als Vorgesetzten zu bekommen – unabhängig von Geschlecht und Alter.
i.wagner@schwaebische.de