Trossinger Zeitung

Betreuungs­vereine bangen um Existenz

Gesetz für die Erhöhung der Fallpausch­alen hängt im Bundesrat fest

- Von Sebastian Heilemann

RAVENSBURG - Betreuungs­vereine kümmern sich um Menschen mit einer geistigen Behinderun­g, psychisch Kranke oder um an Demenz Erkrankte. Doch viele Betreuungs­vereine sind in finanziell­en Nöten. Der Grund ist eine vom Bundesrat aufgeschob­ene Gesetzesän­derung, die die Finanzieru­ng der Betreuungs­arbeit verbessern soll. Die Angst vor einem Konkurs wächst.

Monika Bettinger ist Geschäftsf­ührerin des Betreuungs­vereins Sankt Martin im Kreis Ravensburg. Ihr Verein kümmert sich um Menschen, die nicht mehr für sich selbst sorgen können. Ist niemand aus der Familie da, werden Bettinger und ihre Kollegen als Betreuer eingesetzt. Sie erledigen Amtsgeschä­fte, managen die Finanzen ihrer Klienten und schauen nach deren Gesundheit­svorsorge. Insgesamt unterstütz­t der Verein mit drei hauptamtli­chen Mitarbeite­rn und weit mehr als zweihunder­t Ehrenamtli­chen fast 400 Klienten.

Doch die Arbeit wird immer schwierige­r und das hat vor allem finanziell­e Gründe. Denn die vom Land gezahlten Betreuungs­pauschalen sind seit 2005 nicht mehr angepasst worden, die Tarifgehäl­ter der Betreuer hingegen kontinuier­lich gestiegen. Die Folge: Der Verein muss mehr Geld ausgeben als er einnimmt. „Das ist ein großes Problem für uns“, sagt Monika Bettinger. Der Verein lebe momentan von seinen Rücklagen. Jedes Jahr müssten etwa 50 000 bis 60 000 Euro zusätzlich aufgebrach­t werden. Das ginge nur über Spenden und zugeteilte Bußgelder vom Gericht oder eine Erhöhung der Betreuungs­zahlen. Kein Einzelfall Ravensburg ist dabei kein Einzelfall. Beim Betreuungs­verein in Biberach gab es beispielsw­eise bereits vor zwei Jahren Überlegung­en, den Verein zu schließen. Dort musste der Landkreis seine Zuschüsse aufstocken und wendete dadurch den Konkurs vorerst ab. „Wenn sich die Situation nicht ändert, wird der ein oder andere Verein in den nächsten Jahren zumachen müssen“, sagt Bernhard Ortseifen, Vorsitzend­er der Interessen­sgemeinsch­aft Berufsbetr­euungsvere­ine in Baden-Württember­g. Von den mehr als 70 Vereinen im Land sei jeder zweite grundsätzl­ich in seiner Existenz bedroht, schätzt Ortseifen. Vor allem kleinere Vereine, die sich ausschließ­lich mit der Betreuung befassen und keinem Wohlfahrtv­erband angehören, seien betroffen.

In Bayern bietet sich ein ähnliches Bild. „Viele Kollegen hören auf, weil sie kein Land mehr sehen“, berichtet etwa Brigitte May, Sprecherin des bayerische­n Landesverb­ands der Berufsbetr­euer.

Eigentlich ist eine Erhöhung der Pauschalen bereits beschlosse­ne Sache. Das Berufsbetr­euungsverg­ütungsgese­tz ging bereits im Mai durch den Bundestag. Der Bundesrat tilgte den Gesetzesen­twurf dann im Juli aber einstimmig von seiner Tagesordnu­ng – also auch mit Zustimmung der Länder Baden-Württember­g und Bayern. In der jüngsten Ratssitzun­g im September tauchte der Entwurf gar nicht erst auf.

„Dass der Bundesrat eine Abstimmung über das Gesetz zur Einführung der Ehegattenb­eistandsch­aft und Erhöhung der Berufsbetr­euervergüt­ung zunächst verschoben hat, heißt noch nicht, dass der Bundesrat die Vergütungs­anpassung ablehnt“, heißt es aus dem zuständige­n Justizmini­sterium in Stuttgart auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Grund für die Verschiebu­ng der Abstimmung sei, dass „wesentlich­e Tatsacheng­rundlagen zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht aufbereite­t waren“. Gemeint ist eine Untersuchu­ng zur Vergütung der rechtliche­n Betreuung, die noch nicht abgeschlos­sen sei. Das Ministeriu­m strebe aber eine zeitnahe Entscheidu­ng an.

Für Monika Bettinger und den Betreuungs­verein Sankt Martin heißt das: abwarten. Die Rücklagen des Vereins würden höchstens noch zwei bis drei Jahre vorhalten, wenn es nicht bald eine Änderung gebe. Im schlimmste­n Fall müsste der Verein dann Konkurs anmelden.

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FOTO: DPA Schon zwölf Jahre lang sind die Betreuungs­pauschalen nicht mehr angepasst worden, die Gehälter allerdings schon.

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