Was kommt, wenn Jamaika scheitert?
Für den Fall, dass Union, FDP und Grüne sich nicht einigen, gibt es drei mögliche Szenarien
BERLIN - Baden-Württembergs CDU-Landesgruppenchef Andreas Jung ist nach wie vor zuversichtlich, dass die Sondierungen für Jamaika noch gut enden, zumal sie am Sonntag in der Landesvertretung BadenWürttemberg abgeschlossen werden sollen. „Wenn zu Schwarz und Grün und Gelb noch Rothaus hinzukommt, sollte es funktionieren“, sagt Jung. Was aber, wenn das nicht der Fall sein sollte? Dann gibt es drei Möglichkeiten:
Minderheitsregierung: Eine Minderheitsregierung hat es auf Bundesebene in Deutschland noch nie gegeben. Das hat gute Gründe. Während man in Bundesländern nur innenpolitische Entscheidungen fällt, steht man im Bund auch international im Wort. Deutschland ist viel zu groß und wichtig, als dass es sich eine instabile Regierung leisten könnte, warnen einhellig fast alle Politiker.
Angela Merkel selbst hat Spekulationen über eine Minderheitsregierung gleich nach der Wahl in der „Berliner Runde“zurückgewiesen. „Ich sehe das nicht. Ich habe die Absicht, dass wir zu einer stabilen Regierung in Deutschland kommen“, sagte die Kanzlerin da. Eine stabile Regierung sei bisher ein Kennzeichen der Bundesrepublik gewesen. Deutschland habe immerhin „verdammt viele Zukunftsaufgaben zu lösen“. In einer Minderheitsregierung wäre Merkel bei unangenehmen Entscheidungen wie etwa Auslandseinsätzen wohl immer wieder auf die Stimmen der SPD angewiesen. Kein Gedanke, der sie verlockt.
Große Koalition: „Wir stehen nicht als Reserverad zur Verfügung“, baut SPD-Generalsekretär Hubertus Heil für den Fall vor, dass Jamaika scheitert. Die Basis in der SPD, so berichten alle, ist einhellig der Meinung: „Nie wieder Große Koalition“. Das könnte zwar in ein paar Jahren vielleicht wieder vergessen sein, nicht aber heute, wo der Schock der Bundestagswahl noch tief in den Gliedern steckt. Die Partei ist aus zwei Bündnissen mit der Union von 2005 bis 2009 und von 2013 bis 2017 so gerupft herausgekommen, dass sie keinen Wert auf Fortsetzung legt.
Vor der Wahl war in Teilen der SPD der Gedanke an eine Fortsetzung der Groko durchaus noch vorhanden. Doch als feststand, dass die SPD auf 20,5 Prozent abgesackt war, wurde die Marschrichtung geändert. SPD-Chef Martin Schulz gab schon am Wahlabend bekannt, dass die SPD in die Opposition geht, und als weiteren Pflock stellte sich auch die Fraktion gleich neu auf mit der Vorsitzenden Andrea Nahles. „Wenn die Jamaika-Verhandlungen scheitern, wird es Neuwahlen geben müssen“, sagt Martin Schulz. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass auch die SPD derzeit nicht auf Neuwahlen hofft, sondern erst an sich arbeiten will, um ein besseres Ergebnis zu erzielen. Manche in der Partei könnten sich deshalb vorstellen, dass man doch noch in eine Große Koalition geht, bevor man das Risiko von Neuwahlen eingeht. Doch als der alte Fraktionschef Thomas Oppermann in einer Talkshow einmal nur kurz er- wähnte, dass man bei einem Scheitern von Jamaika neu nachdenken müsste, erntet er gleich Protest.
Neuwahlen: FDP-Chef Christian Lindner hat bislang als Einziger Neuwahlen ins Gespräch gebracht. Er habe keine Angst vor Neuwahlen, sagte er vor rund zehn Tagen in einem Interview. Nicht alle teilen seine Meinung, denn bei Neuwahlen könnte die AfD am ehesten profitieren, meinen Wahlforscher.
Auf jeden Fall wären Neuwahlen die teuerste Lösung, denn die geschätzten Kosten einer Bundestagswahl betragen 92 Millionen Euro. Das Verfahren wäre schwierig, denn Angela Merkel ist ja nur noch geschäftsführende Kanzlerin, sie selbst kann also gar nicht die Vertrauensfrage stellen, sondern der Bundespräsident müsste sie als Kanzlerin vorschlagen, und wenn sie nicht gewählt wird, Neuwahlen ansetzen. Der Haken dabei: Nach derzeitigen Umfragen könnte ungefähr das gleiche Ergebnis wie im September herauskommen. Man stünde also Monate später vor demselben Problem, sich zusammenraufen zu müssen.