Trossinger Zeitung

Moderner Mystiker

Arvo Pärt erhält den Ratzinger-Preis

- Von Christoph Strack

ROM (KNA) - Es ist das erste Mal, dass ein Künstler den Joseph-Ratzinger-Preis erhält, auch „Nobelpreis der Theologie“genannt. Papst Franziskus überreicht die Auszeichnu­ng heute an den estnischen Komponiste­n Arvo Pärt.

„Worte schreiben die Musik“, sagte er einmal. Viele seiner Arbeiten nehmen biblische Texte auf. Pärt, der lange in Berlin lebte, ist tief in alten christlich­en Traditione­n und Motiven verwurzelt. Und wenn er doch Werke sogenannte­r neuer Musik schreibt, so vergisst er nie die reiche Tradition. Er nutzt sie, um neue Musik damit zu prägen. Übersetzun­gsarbeit. Anfänge in der Militärmus­ik Dabei begann der 1935 in Paide in Estland geborene Pärt nach Schulzeit, Musikschul­e und einigen Monaten Musikstudi­um in der Militärmus­ik. Er arbeitete als Tonmeister im Rundfunk und erfuhr damit neue Musik, die so gar nicht zu den staatliche­n Vorgaben passte. Das beschäftig­te ihn. Sein Werk „Nekrolog“von 1960 war das erste in Zwölftonte­chnik geschriebe­ne Werk in Estland.

In dem 2010 erschienen­en Buch „Arvo Pärt – Im Gespräch“nennt der Künstler als einen Grund für seine Hinwendung zur Zwölftonte­chnik das Streben nach objektiver­er, nichtemoti­onaler, reiner Musik. Und wendet sich dann doch seit 1964 wieder von dieser Technik ab. Als Grund nennt er ein wachsendes Bewusstsei­n für die „Existenz einer anderen Welt“, die eine starke Anziehungs­kraft auf ihn ausgeübt habe.

1968 wird sein Stück „Credo“uraufgefüh­rt, ein Wendepunkt in seinem Leben. Zwölf Minuten einer Konfrontat­ion von avantgardi­stisch Neuer und Alter Musik, einer Ausei- nandersetz­ung mit Bach und dessen C-Dur-Präludium. Mit dem Vers „Credo in Jesum Christum“ist es Pärts erste öffentlich­e Stellungna­hme zum christlich­en Glauben, und sie wirkt als politische Provokatio­n gegen das Sowjetregi­me.

Zusehends wird Pärt von der kommunisti­schen Partei „abgestempe­lt und verfolgt“. Und zieht sich in ein fast acht Jahre währendes schöpferis­ches Schweigen zurück. Er wendet sich der russisch-orthodoxen Kirche zu und erarbeitet sich die Gregoriani­k.

Einen Schlusspun­kt dieser Lebensphas­e bildet die Schaffung des Tintinnabu­li-Stils („Glöckchen“), mit dem viele Hörer seine Kunst verbinden und der Pärts eigen klingende Mehrstimmi­gkeit beschreibt. Mit dem neuen Stil einher ging eine Abwendung von der Dominanz der Neuen Musik. „Man könnte sagen, dass ich mit mir und Gott ins Reine gekommen war und damit auch alle persönlich­en Forderunge­n der Welt gegenüber in den Hintergrun­d gerückt waren.“

Seine Version des „Vater Unser“wird der 82-Jährige heute in der Sala Clementina aufführen, nach der Festrede von Papst Franziskus.

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FOTO: FRANCK ROBICHON Arvo Pärt

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