Teilhabegesetz: Landkreis ist vorbereitet
Behindertenhilfe wurde in Tuttlingen schon vor Jahren von Sozialhilfe abgetrennt
TUTTLINGEN - Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) wird Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmteres Leben ermöglicht. Für die Landkreise bedeuten die Regularien – die Mittel für die Eingliederungshilfe werden aus der Sozialhilfe ausgegliedert – eine große Herausforderung. Die Tuttlinger Verwaltung ist auf die sozialpolitische Reform aber vorbereitet.
Vor vier Jahren wurde in Tuttlingen die Behindertenhilfe bereits aus der Sozialhilfe herausgelöst und dem Amt für Familie, Kinder und Jugend zugeordnet. „Der Schritt war richtig“, sagt Sozialdezernent Bernd Mager, der sich wegen des bürokratischen Mehraufwands durch das BTHG zunächst einmal keine Sorgen macht. „Das Jugendamt hat bereits große Erfahrungen mit der Einzelhilfeplanung. Wir müssen die Vorgänge nicht komplett neu denken, sondern wis- sen, wie man die Fälle angeht“, sagt Mager. Deshalb sieht der Landkreis auch erst einmal von der Einstellung von zusätzlichem Personal ab. Eingliederungshilfe größter Ausgabenblock im Sozialbereich Das BTHG ist auf die Person ausgerichtet und ermittelt den ganzen Bedarf. „Was ist das Beste für den behinderten Menschen“, ist die Frage, die bei Hilfeplankonferenzen vorrangig zu beantworten sei, sagt Mager. Im Gegensatz zur vorherigen Lösung, als ein Anbieter für eine gewisse Summe die Betreuung und Versorgung des behinderten Menschen übernahm, kann der Leistungsempfänger nun durch die modulhafte Planung auch selbst Hilfe einkaufen. Dadurch werde die Teilhabe und Selbstverwirklichung verbessert, allerdings würden auch die Kosten und das Personal erhöht.
Mit 22 Millionen Euro ist die Eingliederungshilfe schon jetzt der größte Ausgabenblock im Sozialbereich des Landkreises Tuttlingen. Weil die Lebenserwartung der behinderten Menschen steigt und die Anzahl der psychisch behinderten Menschen zunimmt, wachsen seit Jahren die Ausgaben. In den vergangenen Jahren gab es eine Steigerung von vier bis fünf Prozent im Jahr. Dies ist für Landrat Stefan Bär zunächst nicht das Problem. Schließlich gehe es um das Wohl der behinderten Menschen.
Was für Ärger sorgt, ist die Frage, wie hoch die Kosten der Reform sein werden und wie sie aufgeteilt werden. In der Vorlage zum Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend mahnt der Landkreis, dass die Dynamik durch das BTHG die Kostenentwicklung deutlich verstärken werde. Allein im Jahr 2018 plant der Landkreis mit Mehrausgaben von 300 000 Euro. Und, so Mager, die Reform werde erst in den folgenden Jahren greifen.
Die Schätzungen der Kosten von Bund, Land und dem Kommunalverband für Jugend und Soziales BadenWürttemberg (KVJS) gehen weit auseinander. Während das Land mit neun Millionen Euro rechnet, sieht der KVJS Mehrkosten in Höhe von 68 (2018) und 99,5 Millionen Euro (2019). Die Landkreise haben in einer gemeinsamen Resolution das Land aufgefordert, alle Mehrkosten zu übernehmen. Auf Einsicht, sei man bisher nicht gestoßen, sagte Bär im Ausschuss. Bisher, meinte Tuttlingens Landrat, habe das Sozialministerium erklärt, erst ab 2020 finanziell einspringen zu wollen.
„Da sehe ich einen Brocken auf uns zukommen“, meinte Bernhard Schnee (CDU). Man müsse dem Land deutlich machen, dass bei der Finanzierung nachgearbeitet werden müsse. Dies, sagte Bär, sei nicht so leicht. Es werde verhandelt. „Aber den Rest zahlen wir.“ ANZEIGE