Trossinger Zeitung

160 Millionen vom Kronzeugen

Der FIFA-Korruption­sprozess wird zum Thriller

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NEW YORK (dpa/SID) - Angebliche Morddrohun­g im Gerichtssa­al gegen den Kronzeugen der Staatsanwa­ltschaft, ein Suizid und die Offenlegun­g eines mafia-ähnlichen Bestechung­ssystems – der erste Prozess im Zuge des FIFA-Korruption­sskandals im New Yorker Stadtteil Brooklyn hat alle Zutaten für einen Hollywood-Thriller. Die Hauptrolle im ersten Teil: Alejandro Burzaco.

Der frühere Chef einer argentinis­chen Sportmarke­tingfirma sagte von Dienstag bis Freitag als wichtigste­r Zeuge der Anklage aus. Er bekannte sich selbst in mehreren Punkten für schuldig und gab zu, bis zu seiner Verhaftung 2015 30 Funktionär­e mit insgesamt bis zu 160 Millionen Dollar bestochen zu haben. Durch seine Kooperatio­n mit den Behörden erhofft er sich Strafmilde­rung.

Und so belastete er die einstmals hochrangig­en Fußball-Funktionär­e José Maria Marin (Ex-Chef des brasiliani­schen Verbandes), Angel Napout aus Paraguay (Ex-Chef des sudamerika­nischen Verbandes Conmebol) und Manuel Burga (Ex-Chef des peruanisch­en Verbandes). Alle drei müssen sich in New York wegen Bestechlic­hkeit im großen Stil verantwort­en. Sie sollen sich über zwei Jahrzehnte Millionen an Schmiergel­dern bei der Vergabe von Fernsehrec­hten eingesteck­t haben. Das Trio plädiert auf nicht-schuldig.

Doch Burzaco nannte in seinen Aussagen an den Tagen in New York noch andere Details, Namen und Summen und lieferte eine Bestätigun­g der Korruption­s-Auswüchse im Weltfußbal­l. „Es überrascht mich nicht, was ich aus den Vereinigte­n Staaten höre“, sagte der ehemalige Chef der FIFA-Ethikkommi­ssion und deutsche Richter, Hans Joachim Eckert, der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“.

Gleich zum Auftakt des Prozesses hatte Burzaco für Aufsehen gesorgt. Er bezichtigt­e den 2014 gestorbene­n Ex-FIFA-Vize Julio Grondona, bei der Vergabe der WM 2022 an Katar im Dezember 2010 für seine Stimme mehr als 800 000 Euro angenommen zu haben. Neu sind die Bestechung­svorwürfe gegen Katar nicht. Sie belasten die FIFA quasi seit dem Moment, als der damalige FIFA-Boss Sepp Blatter den Briefumsch­lag mit dem Namen des WM-Ausrichter­s 2022 präsentier­t hatte. Neuvergabe der WM trotz allem nahezu ausgeschlo­ssen Stichhalti­ge Beweise gibt es aber bislang nicht. Auch der weltweit beachtete Garcia-Bericht, der die Doppelverg­abe an Katar und Russland 2018 untersucht­e, hatte „nur“dubiose Praktiken aufgedeckt - aber eben nichts, was vor Gericht standhalte­n würde. Auch Burzacos Aussage ist noch kein Beweis für eine Schmiergel­dzahlung direkt vom WM-Organisati­onskomitee und damit ein Grund für eine Neuvergabe. „Dazu müsste im Detail dargelegt und bewiesen werden, dass ein für die Bewerbung Verantwort­licher für die Bewerbung einen Stimmberec­htigten bestochen hat und dies auch ausschlagg­ebend für die Entscheidu­ng für Katar war“, sagte Sylvia Schenk, eine der renommiert­esten Experten für Kriminalit­ät im Sport, der „tz“: „Dies müsste dann auch gerichtlic­h festgestel­lt werden.“Für Schenk, Leiterin der Arbeitsgru­ppe Sport bei „Transparen­cy Internatio­nal“ist eine erneute Abstimmung über den WM-Ausrichter deshalb nahezu ausgeschlo­ssen.

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