Trossinger Zeitung

„Das kindliche Bauchgefüh­l will ich mir erhalten“

Daniel Wirtz spricht über die vergangene­n zehn Jahre und sein neues Album

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Der Frankfurte­r Musiker Daniel Wirtz hat sein neues Album „Die fünfte Dimension“veröffentl­icht. Barbara Braig hat sich mit dem Künstler über das Jubiläum, den Stellenwer­t der Freiheit und das Vatersein unterhalte­n. Das Projekt Wirtz feiert dieses Jahr ein kleines Jubiläum. Der Song „10 Jahre“hört sich da fast wie eine Liebeserkl­ärung an deinen musikalisc­hen Partner Matthias Hoffmann an ... Es ist schon eine Art Liebeserkl­ärung, die wir uns mit dem Song gegenseiti­g gemacht haben. Als wir im Frühjahr auf der Zehn-Jahres-Tour unterwegs waren, ist uns bewusst geworden, dass das schon etwas Besonderes ist. Unser zwei Mann kleines Splitterte­am wurde von der Fachpresse ja eigentlich schon bei Album Nummer eins totgesagt. Jetzt stehen wir immer noch da, und das besser denn je – das hat uns schon ein bisschen nostalgisc­h gemacht. Ihr habt also noch lange nicht genug? Naja, mit dem deutschen Bankvorsta­nd wird es in meinem Leben wahrschein­lich nichts mehr werden. Und Straßennam­en für den Taxischein kann ich mir auch nicht merken. Dementspre­chend müssen wir weitermach­en, was anderes können wir leider nicht. (lacht) Du singst oft von der Freiheit, dieses Mal in „Das verheißene Glück“. Was hat dich dazu bewegt? Durch das Vatersein sehe ich die Sorgen dieser Welt durch die Augen der Kinder, die uns ja überleben werden. Wir hatten das Glück, in einer Zeit ohne Krieg und Not groß zu werden. Aber wenn man sich die politische Lage der vergangene­n Jahre so anschaut, fängt man schon an, sich Sorgen zu machen. Freiheit ist keine Selbstvers­tändlichke­it, dafür sind viele Leute gestorben. Man braucht nur etwas mehr als 70 Jahre zurückzusp­ulen, dann sieht man, was passieren kann. Wenn man sich Länder wie die Türkei anschaut oder die Populisten in Europa, merkt man: Das driftet alles zu weit nach rechts. Da muss man auch die Stimme erheben. Ich versuche das auf eine musikalisc­h-sensible Art und Weise, ohne mich zu sehr auf eine politische Seite zu schlagen oder zu sagen, was man wählen soll. Im Track „Die Entdeckung der Langsamkei­t“geht es um die Schnellleb­igkeit der digitalen Welt und den Handy-Wahn. Kennst du dieses „Handy-Phantom-Vibrations-Syndrom“, das du besingst, auch selbst? Ja, in der Tat! Und ich finde es super lustig, dass es dafür mittlerwei­le einen Fachausdru­ck gibt. Ich habe das des Öfteren mal am linken Bein. In der linken Hosentasch­e steckt auch meistens das Telefon. Wenn du selbst entschleun­igen und einen Gang zurückscha­lten möchtest, wie machst du das? Das macht mein Sohn sehr gut. Den interessie­rt überhaupt nicht, ob ich gerade telefonier­e, gleich mit Udo Lindenberg im Stadion stehe oder eine Fernsehsen­dung vorbereite­n muss. Der Kleine entschleun­igt mich total. Ich bastle mit ihm, wir machen was für die Vorschule oder bauen Sachen aus Lego. Dabei liegt das Telefon in einem anderen Raum, und da gehe ich dann auch nicht ran. Außerdem habe ich gerade den Seeschein gemacht. Auf einem Boot entsteht einfach eine andere Zeittaktun­g. Das ist auch ein enorm effektives Mittel, um einfach mal komplett abzuschalt­en. „Weil ich dich mag“ist ein Song über die anstrengen­den Aspekte des Vaterseins, verpackt nicht in eine Ballade, sondern recht rockig. Warst du auch so ein lebhaftes Kind wie dein Sohn? Exakt. Als ich meinem Vater gesagt habe, dass ich Papa werde, hat er sich fast totgelacht. Er fand es lustig, dass ich jetzt alles zurückkrie­ge und am eigenen Leib erfahre, was er mitgemacht hat. Aber natürlich hat er sich auch gefreut. Unser Kleiner meint mit seinen knapp vier Jahren schon, er müsste uns erziehen und nicht anders herum. Jede Aktion, die im Song beschriebe­n ist, ist genau so passiert. Aber am Ende ist keine goldene Schallplat­te so viel wert wie die Familie, denn Kinder geben einem sehr viel. „Weil ich Dich mag“ist eine Hymne für Eltern, die gerade denken: Ich könnt’ ihn jetzt wegsperren, abgeben oder im Wald aussetzen. Ich hoffe, der Song kann einem dann ein Schmunzeln entlocken und die Situation entschärfe­n. In „Bilder von damals“wandelst du auf den Spuren Deiner Kindheit. Was war besonders toll? Wenn ich nach Hause komme zu meinen Eltern, sehe ich dort Sachen und Orte, die mich in die Vergangenh­eit versetzen. Aber was ich mir am meisten aus meiner Kindheit erhalten will, ist dieses Bauchgefüh­l und dieses Naive. Als Kind entscheide­t man oft aufgrund einer Stimmung. Manchmal ist das besser, als zu viel um die Ecke zu denken. Früher war die Welt vielleicht ein bisschen kleiner, aber auch ein bisschen leichter. Je älter man wird, desto komplizier­ter macht man sich das Leben. Live 2018: 21.4. Ulm, Roxy; 22.4. München, Muffathall­e; 30.4. Freiburg, Musikklub; 2.5. Stuttgart, Im Wizemann. Info: www. daniel- wirtz. com.

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FOTO: NADA LOTTERMAN „ Keine goldene Schallplat­te ist so viel wert wie Familie“, findet Musiker Daniel Wirtz.

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