Keine Scheu vor Avantgarde
Landesjugend-Akkordeonorchester Bayern harmoniert perfekt mit Hans-Günther Kölz
TROSSINGEN – „Rhythmische Faszination“hat das Landesjugend-Akkordeonorchester Bayern, kurz LJAO, bei einer Matinee in der Bundesakademie vermittelt. Das gut besuchte Konzert war der Abschluss des Jahres unter der Leitung von Hans-Günther Kölz.
Zur letzten Probenphase hatte Kölz die Musiker im Alter von 16 bis 27 Jahren „ins Ausland“gelockt, nach Trossingen. Weiter gefasstes „Ausland“brachten die Stücke in den ovalen Saal: Zunächst das sonnige Kuba. Denn auch wenn Arturo Márquez Mexikaner ist, sein bekanntes Stück „Conga del Fuego Nuevo“basiert eindeutig auf kubanischen Rhythmen. Hans-Günther Kölz hat das spritzige, zehn Jahre junge Werk für Akkordeons arrangiert, und tänzelte beschwingt beim Dirigieren.
Bottrop war das nächste Ziel. Dort steht seit 1995 ein stählerner Aussichtsturm in Tetraeder-Form auf einer Halde. Kölz hat dazu einen Kompositionsauftrag erfüllt, hat dabei mit dem 7/8-Takt experimentiert und führt Musiker wie Zuhörer erst vorsichtig um das Gebilde herum und dann stürmisch auf dessen Gipfel.
Als instrumentales Multitalent erwies sich die Trossingerin Monja Heuler: Mal saß sie am Flügel, dann wieder inmitten der 18 Akkordeonisten. Und zwei Mal spielte sie – auswendig – ihre Chromonika: Erst bei dem „Prelude and Dance“, das der Kanadier Robert J. Farnon für Tommy Reilly geschrieben hatte. Das anspruchsvolle Stück war eine Erinnerung an den 100. Geburtstag des Komponisten. Auch bei Astor Piazzollas wehmütigem Tango-Walzer „Chiquilin de Bachin“zeigte Heuler ihr souveränes Spiel als Solistin. Mitreißend rhythmisch Auch die Bayern hatten einen Solisten aufzubieten: Stefan Bauer, 19, der bei Richard Gallianos „Tango pour Claude“seinen großen Auftritt hatte. Genau genommen war es für ihn aber ein Heimspiel, denn er studiert im dritten Semester am Hohner Konservatorium. Nach Frankreich ging die musikalische Reise in die USA: Sammy Nesticos Arrangement von vier Jazz-Standards, rearrangiert von Kölz, stellte die Akkordeonisten und besonders die beiden Perkussionisten Quirin Braun und Felix Dahedl auf die Probe. Wirkte das Ensemble bei der „Night in Tunesia“noch etwas steif, so lockerte es bei dem Duke Ellington-Part und schließlich bei „Birdland“immer mehr auf.
Mitreißend rhythmisch war die Station in Irland, mit Bill Whelans bahnbrechendem „Riverdance“. Konzertmeister Felix Hirn setzte sein Akkordeon an Stelle der Tin Whistle ein. Dass das LJAO auch die Avantgarde nicht scheut, zeigte es bei Stefan Hippes komplexem Werk „Krakatao“: Man glaubte das Magma brodeln, die Lava spritzen zu hören, bis hin zum finalen Vulkanausbruch in Indonesien. Faszinierend.
Mit „Más que nada“bedankten sich Orchester und Dirigent für den kräftigen Applaus. Kölz sprintete dabei kurz ans Piano, um eine flotte Einlage zu spielen.