65 Werke auf einen Schlag
Gewerbemuseum erhält Bilder aus Nachlass des Spaichinger Kunstmalers Albert Schellinger
SPAICHINGEN - Hastig blättert Angelika Feldes durch die Stapel an Skizzen und Zeichnungen. Immer wieder kommt einer ihrer Favoriten zum Vorschein. Hier eine Postkartenzeichnung, da eine lieblich-melancholische Madonna oder ein nur angedeuteter, mit Kohle schraffierter Entwurf. 65 Werke des Spaichinger Malers Albert Schellinger hat die Leiterin des Gewerbemuseums als Dauerleihgabe erhalten.
Sie stammen allesamt aus der Sammlung der Schwiegertochter des Künstlers. Darunter finden sich neben den Entwürfen, Skizzen und kleinen Postkartenmotiven auch große Ölgemälde, für die Schellinger in der ganzen Region bekannt ist. Verschwommene Biographie Die Lebensgeschichte des Kunstmalers und Oberlehrers ist heute nicht mehr lückenlos nachzuverfolgen. 1901 wurde er in Spaichingen geboren, der Vater war Instrumentemacher. Ab diesem Zeitpunkt ist erst einmal wenig bekannt; Angelika Feldes ist sich aber sicher, dass er unter anderem in Heilbronn und Tuttlingen gearbeitet hat. Jeweils gleichzeitig als Kunstmaler und als Lehrer. Eine Zeit lang habe er an einer Kunsthochschule doziert. Nach Spaichingen kehrte er erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zurück.
„Über ihn als Mensch sind nur wenige Details bekannt, umso spannender ist es, seinen künstlerischen Werdegang nachzuverfolgen“, sagt Feldes. Da gebe es einige spannende Brüche: Malte Schellinger zu Anfang noch im expressionistischen Stil, erinnern seine späteren Werke mit lieblichen Madonnen, Landschaftsbildern und Christusfiguren mehr an die großen deutschen Meister wie Albrecht Dürer. Auch sonst zeichnet sich der Künstler durch eine überraschende Vielfalt aus. Von der Karikatur zur Kargheit Zwischen diversen Madonnenskizzen und Landschaftsbildern zieht Angelika Feldes einen Stapel bunter Karikaturen hervor. Darauf sind menschenähnliche Kakteen zu sehen. Stachelig, unförmig, nicht unbedingt ansehnlich. Aber durchaus zeichnerisch anspruchsvoll. „Damit hat er die Spießbürger aus seiner Umgebung karikiert.“Gleich zwei dieser schrumpeligen, stachligen Kakteen tragen den Titel „Schwiegermutter“.
„Ich versuche, aus seinen Werken Rückschlüsse auf sein Leben, seinen Charakter zu ziehen“, sagt Feldes. Dabei helfen solche klaren Botschaften natürlich. Schwieriger wird die Interpretation seiner Spätwerke. Ein Teil davon wartet geduldig aufgereiht im Depot des Museums. Große Ölgemälde mit gedeckten Farben und massiven Rahmen. „Wir sehen hier häufig das Motiv absterbender Tannen. Dazu karge Landschaften, sehr abstrakt abgebildet.“Für die Museumsleiterin ein möglicher Hinweis darauf, dass Schellinger sein eigenes Ende nahen sah. Und tatsächlich folgte das früh: Mit nur 59 Jahren starb Schellinger im Jahr 1960. Die Todesursache sei unbekannt, sagt die Museumsleiterin. Bitte um Mithilfe Vieles liegt noch im Dunkeln vom Leben und Schaffen des Spaichinger Kunstmalers. Angelika Feldes will Licht in diesen Schatten bringen. Dafür braucht sie allerdings die Hilfe von Zeitzeugen: „Ich würde mich sehr freuen, wenn sich Leute beim Museum melden, die Albert Schellinger noch zu Lebzeiten kannten. Oder auch die, die mehr über seine Kunst wissen, vielleicht noch Bilder von ihm besitzen.“Wenn alles zusammengetragen ist, soll es im Gewerbemuseum 2019 eine Schellinger-Ausstellung mit den neuen Bildern und vielen Hintergrundgeschichten geben. Erst die zweite nach 1985. „Zeit wird’s“, sagt Angelika Feldes und gelangt nach ein paar letzten Marienskizzen zum Ende des Stapels. Das Kapitel Albert Schellinger wird aber gerade erst richtig aufgeschlagen. Ein Video sehen Sie unter www.schwaebische.de/nachlassbilder