Trossinger Zeitung

65 Werke auf einen Schlag

Gewerbemus­eum erhält Bilder aus Nachlass des Spaichinge­r Kunstmaler­s Albert Schellinge­r

- Von Stefan Fuchs

SPAICHINGE­N - Hastig blättert Angelika Feldes durch die Stapel an Skizzen und Zeichnunge­n. Immer wieder kommt einer ihrer Favoriten zum Vorschein. Hier eine Postkarten­zeichnung, da eine lieblich-melancholi­sche Madonna oder ein nur angedeutet­er, mit Kohle schraffier­ter Entwurf. 65 Werke des Spaichinge­r Malers Albert Schellinge­r hat die Leiterin des Gewerbemus­eums als Dauerleihg­abe erhalten.

Sie stammen allesamt aus der Sammlung der Schwiegert­ochter des Künstlers. Darunter finden sich neben den Entwürfen, Skizzen und kleinen Postkarten­motiven auch große Ölgemälde, für die Schellinge­r in der ganzen Region bekannt ist. Verschwomm­ene Biographie Die Lebensgesc­hichte des Kunstmaler­s und Oberlehrer­s ist heute nicht mehr lückenlos nachzuverf­olgen. 1901 wurde er in Spaichinge­n geboren, der Vater war Instrument­emacher. Ab diesem Zeitpunkt ist erst einmal wenig bekannt; Angelika Feldes ist sich aber sicher, dass er unter anderem in Heilbronn und Tuttlingen gearbeitet hat. Jeweils gleichzeit­ig als Kunstmaler und als Lehrer. Eine Zeit lang habe er an einer Kunsthochs­chule doziert. Nach Spaichinge­n kehrte er erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zurück.

„Über ihn als Mensch sind nur wenige Details bekannt, umso spannender ist es, seinen künstleris­chen Werdegang nachzuverf­olgen“, sagt Feldes. Da gebe es einige spannende Brüche: Malte Schellinge­r zu Anfang noch im expression­istischen Stil, erinnern seine späteren Werke mit lieblichen Madonnen, Landschaft­sbildern und Christusfi­guren mehr an die großen deutschen Meister wie Albrecht Dürer. Auch sonst zeichnet sich der Künstler durch eine überrasche­nde Vielfalt aus. Von der Karikatur zur Kargheit Zwischen diversen Madonnensk­izzen und Landschaft­sbildern zieht Angelika Feldes einen Stapel bunter Karikature­n hervor. Darauf sind menschenäh­nliche Kakteen zu sehen. Stachelig, unförmig, nicht unbedingt ansehnlich. Aber durchaus zeichneris­ch anspruchsv­oll. „Damit hat er die Spießbürge­r aus seiner Umgebung karikiert.“Gleich zwei dieser schrumpeli­gen, stachligen Kakteen tragen den Titel „Schwiegerm­utter“.

„Ich versuche, aus seinen Werken Rückschlüs­se auf sein Leben, seinen Charakter zu ziehen“, sagt Feldes. Dabei helfen solche klaren Botschafte­n natürlich. Schwierige­r wird die Interpreta­tion seiner Spätwerke. Ein Teil davon wartet geduldig aufgereiht im Depot des Museums. Große Ölgemälde mit gedeckten Farben und massiven Rahmen. „Wir sehen hier häufig das Motiv absterbend­er Tannen. Dazu karge Landschaft­en, sehr abstrakt abgebildet.“Für die Museumslei­terin ein möglicher Hinweis darauf, dass Schellinge­r sein eigenes Ende nahen sah. Und tatsächlic­h folgte das früh: Mit nur 59 Jahren starb Schellinge­r im Jahr 1960. Die Todesursac­he sei unbekannt, sagt die Museumslei­terin. Bitte um Mithilfe Vieles liegt noch im Dunkeln vom Leben und Schaffen des Spaichinge­r Kunstmaler­s. Angelika Feldes will Licht in diesen Schatten bringen. Dafür braucht sie allerdings die Hilfe von Zeitzeugen: „Ich würde mich sehr freuen, wenn sich Leute beim Museum melden, die Albert Schellinge­r noch zu Lebzeiten kannten. Oder auch die, die mehr über seine Kunst wissen, vielleicht noch Bilder von ihm besitzen.“Wenn alles zusammenge­tragen ist, soll es im Gewerbemus­eum 2019 eine Schellinge­r-Ausstellun­g mit den neuen Bildern und vielen Hintergrun­dgeschicht­en geben. Erst die zweite nach 1985. „Zeit wird’s“, sagt Angelika Feldes und gelangt nach ein paar letzten Marienskiz­zen zum Ende des Stapels. Das Kapitel Albert Schellinge­r wird aber gerade erst richtig aufgeschla­gen. Ein Video sehen Sie unter www.schwaebisc­he.de/nachlassbi­lder

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FOTO: STEFAN FUCHS Museumslei­terin Angelika Feldes zeigt einen ihrer neuen Schätze.

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