Arbeiten bis zum Umfallen
Aktivisten recherchieren in chinesischen Spielzeugfabriken
BERLIN (sz) - Drei Nichtregierungsorganisationen beklagen furchtbare Arbeitsbedingungen in chinesischen Spielzeugfabriken, in denen große Konzerne wie Disney, Mattel oder Hasbro Waren auch für den europäischen Markt produzieren lassen. Aktivisten von China Labor Watch, der Christlichen Initiative Romero und Solidar Suisse haben monatelang verdeckt recherchiert und wollen heute ihren rund 100 Seiten starken Bericht vorlegen. Vier große Spielzeugfabriken wurden bei den Recherchen genau unter die Lupe genommen. Zwölf Stunden schuften die Arbeiter dort nach Angaben der Nichtregierungsorganisationen im Akkord, ehe sie auf provisorischen Pritschen mehr schlecht als recht schlafen dürfen.
Gerade in der Vorweihnachtszeit wird die Produktion in den Fabriken extrem hochgefahren, sodass die Arbeiter auf bis zu 110 Überstunden pro Monat kommen.
BERLIN - Mindestens zwölf Stunden dauert ihr Arbeitstag. Im Akkord stecken, kleben und binden die chinesischen Fabrikarbeiter die Einzelteile für Kinderspielzeug zusammen. Sie machen Puppen, Autorennbahnen, Spieleküchen versandfertig für den Weltmarkt. Ihr Job ist oft gefährlich. Wenn sie mit dem Heißkleber hantieren gibt es weder Handschuhe noch Sicherheitsbrillen, giftigen Dämpfen sind sie schutzlos ausgeliefert. Auch nach der Arbeit können sich die Arbeiter kaum ausruhen. Sie schlafen auf provisorischen Pritschen, Toiletten und Duschen sind verdreckt.
Es sind erschütternde Details, die der Bericht von China Labor Watch, der Christlichen Initiative Romero und von Solidar Suisse aufzeigt. Monatelang haben die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen verdeckt recherchiert. In einem rund 100 Seiten langen Bericht dokumentieren sie die Arbeitsbedingungen in den Spielzeugfabriken Shaoguan Early Light, Dongguan Chang An Mattel, Dongguan Qualidax und Shenzhen Winson Precision. Dort lassen unter anderem Konzerne wie Disney, Mattel oder Hasbro einen großen Teil ihrer Markenspielzeuge für den amerikanischen und europäischen Markt produzieren.
Die Weihnachtszeit spült Millionen in die Kassen der Spielzeugindustrie. Monate bevor die Verkaufssaison startet, wird in den chinesischen Fabriken die Produktion hochgefahren. Schließlich sollen Barbies und Disneyfiguren, wie Olaf der Schneemann, rechtzeitig vor dem Weihnachtsfest in den Geschäften liegen. Problem Überstunden Obwohl seit Jahren scharf kritisiert, bleiben die Fabrikbesitzer bei den unverhältnismäßig hohen Überstunden. Bei Mattel sind sie laut den Organisationen sogar gestiegen: 2013 lag die Zahl der Überstunden bei 104 pro Monat, 2017 sind es 110. Die Fabriken verstoßen damit wohl auch gegen chinesisches Arbeitsrecht. Demnach dürften die Unternehmer monatlich maximal 36 Überstunden von ihren Beschäftigten verlangen.
China Labor Watch hat die Unternehmen mit den Berichten konfrontiert. Der Medienkonzern Disney verweist auf den Industrieverband International Council of Toy Industries, der die Vorwürfe untersuchen will. Auch Hasbro will Nachforschungen anstellen. Der Barbie-Produzent Mattel weist die Behauptungen von sich. Man sei darauf bedacht, dass die Produktionsstätten sicheren und ethischen Standards ensprechenden Bedingungen unterliegen, heißt es gegenüber den Organisationen.
Es ist nicht das erste Mal, dass China Labor Watch die Arbeitsbedingungen in den Fabriken anprangert. Seit 1999 berichtet die Nichtregierungsorganisation über die Zustände. Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren Verhaltenskodexe aufgelegt und versprechen darin Arbeitsrechte einzuhalten. Tatsächlich ist laut Bericht in keiner der vier Fabriken eine Gewerkschaft als echte Vertretung der Arbeiter aktiv.
Auch bei den Löhnen hat sich kaum etwas getan. So haben nur Winson und Qualidax die Löhne erhöht. 2013 verdienten die Arbeiter in Spitzenzeiten inklusive Überstunden umgerechnet knapp 400 Euro bei Winson. 2017 stieg der Betrag auf bis zu 550 Euro. Allerdings haben die Löhne nicht mit der Inflation Schritt gehalten. Bei Chang An Mattel liegt der Grundlohn ohne Überstunden und Prämien derzeit laut Bericht bei 192 Euro. Das ist knapp über dem lokalen Mindestlohn.
Die Organisationen hinter dem Spielzeug-Bericht sehen die Industrie in der Pflicht, schnell zu handeln. Sie fordern von den Firmen eine Grundsatzerklärung zur Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte sowie mehr Kontrollen in den Fabriken und existenzsichernde Löhne. Zudem sollte auch der Verbraucher Bescheid wissen, wie die Produkte hergestellt werden, die die Kinder unter dem Weihnachtsbaum finden.