Kretschmann kämpft für Realos
Winfried Kretschmann gibt nicht auf. Der grüne Ministerpräsident von BadenWürttemberg kämpft auch nach dem Aus der Jamaika-Koalition für einen realpolitischen Kurs seiner Partei. Diesmal, indem er sich für Cem Özdemir als Fraktionsvorsitzenden der Grünen in Berlin stark macht.
Als eine von Kretschmanns größten politischen Niederlagen gilt, dass es 2013 nicht zu einer Koalition aus Union und Grünen im Bund kam. Wäre nun ein bürgerliches Dreierbündnis mit der FDP entstanden, Kretschmann hätte sein politisches Lebenswerk als so gut wie vollendet betrachten können. Doch die FDP ließ diese Hoffnungen platzen. Nun droht den Bundesgrünen eine harte Zeit als kleinste Oppositionspartei.
Dem Realo Kretschmann graust davor, dass seine Kollegen in Berlin nun in linken Utopien schwelgen. Aus seiner Sicht ist das kein Erfolgsrezept. Das praktiziert er nach seiner Überzeugung seit Jahren erfolgreich in Baden-Württemberg – und hadert damit, dass ihm weite Teile seiner Partei in Bund und Ländern nicht auf diesem Kurs folgen wollen. Deswegen will er, dass der Realo Özdemir weiter eine wichtige Rolle spielt.
Als Parteivorsitzender tritt Özdemir nicht mehr an. Damit bleibt nur ein Amt als Fraktionschef. Doch die grüne Parteiarithmetik spricht dagegen: Es braucht eine Frau und einen Mann, einen Realo und einen Fundi. Die realpolitisch orientierte Katrin Göring-Eckardt gilt als gesetzt, was Özdemirs Chancen schmälert.
Wird Özdemir nicht Fraktionsvorsitzender, steht er 2018 ohne wichtiges Amt da. Einer der profiliertesten realpolitischen Spitzengrünen wäre entmachtet. Deswegen wirft sich Kretschmann für ihn ins Zeug. Eine zweite Option, um Özdemir an der Macht zu halten: Er könnte Kretschmann als Ministerpräsident beerben. Anderen Kandidaten im Land fehlen Rückhalt und Charisma. Landtagswahlen sind erst 2021 – bis dahin könnte Özdemir sogar sein Versprechen halten und den Wählern von Berlin aus dienen. Trotz aller Dementis ist ein Wechsel von Kretschmann zu Özdemir also gar nicht unwahrscheinlich.