Union lehnt SPD-Kernthemen ab
Bürgerversicherung könnte Streitpunkt werden – Spahn: „Dann machen wir es eben allein“
BERLIN (dpa) - Vor ersten Gesprächen über eine erneute große Koalition prallen die unterschiedlichen Vorstellungen von Union und SPD aufeinander. So erteilten Unionspolitiker der Forderung der Sozialdemokraten nach einer Bürgerversicherung eine Absage. Eine neue Große Koalition könne nur gelingen, „wenn wir uns der Unzufriedenheit bei den Themen Innere Sicherheit, Migration und Integration stellen“, sagte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn der „Bild am Sonntag“.
SPD-Vize Ralf Stegner warnte die Union vor roten Linien. „Das ist nicht schlau“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Zugleich erteilte er Forderungen nach einer längeren Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatuts eine Absage. „Weder kommen für uns grundgesetzwidrige Obergrenzen infrage noch ist der Schutz von Ehe und Familie eine verhandlungstaktische Frage. Auch beim Familiennachzug für Ehepartner und minderjährige Kinder geht es um Grundrechte.“
Ein SPD-Parteitag hatte sich zuvor für Gespräche über eine Regierungsbildung ausgesprochen. Rote Linien haben die Sozialdemokraten dabei zwar nicht gezogen, aber elf Kernthemen für eine mögliche Koalition aufgestellt. Dazu zählen die von der Union abgelehnte Wiederzulassung des Familiennachzugs, eine Solidarrente sowie eine Bürgerversicherung. Am Mittwoch starten erste Gespräche der Spitzen von Union und SPD – neben Schwarz-Rot sind eine Unions-Minderheitsregierung und Neuwahlen Optionen.
CSU-Chef Horst Seehofer erklärte, eine Bürgerversicherung werde es mit seiner Partei nicht geben. „Ich sehe nicht, wie man sie so umsetzen kann, dass sie nicht für Ungerechtigkeiten sorgt“, sagte er dem „Spiegel“.
Spahn sagte mit Blick auf die SPD, er finde es abenteuerlich, „wie scheu diese Partei die Regierungsverantwortung umtanzt“. Er sprach sich für eine Minderheitsregierung aus, sollten die Gespräche scheitern. „Wenn es mit der SPD gar nicht geht, machen wir es eben alleine.“Mit Blick auf die Rolle der AfD bei einer möglichen Minderheitsregierung sagte er: „Idealerweise finden wir Mehrheiten für unsere Vorhaben auch jenseits der AfD.“Ausschließen wollte er das Gegenteil aber nicht.
BERLIN -Auseinandersetzungen, rote Linien und gegenseitige Drohungen, noch bevor überhaupt das erste Gespräch über eine mögliche Regierungsbildung stattgefunden hat – Union und SPD grenzen sich ab, formulieren ihre Bedingungen für eine Neuauflage der Großen Koalition.
Unionsfraktionschef Volker Kauder hat die Vorstellung zurückgewiesen, die SPD könne die Union als Preis für eine Regierungsbeteiligung zu massiven Zugeständnissen zwingen. „Wie damals werden wir jetzt vernünftig mit der SPD sprechen“, sagte der CDU-Politiker dem „Tagesspiegel“. „Das bedeutet kompromissfähig zu sein.“Eine „absolute Kernforderung“der Union sei aber die Umsetzung des CDU/CSU-Kompromisspapiers zur Zuwanderung. Dazu gehöre es, den Familiennachzug für Flüchtlinge mit nur eingeschränktem Schutzstatus weiter auszusetzen. Kauder sieht auch keinen Mehrwert der Vereinigten Staaten gegenüber dem heutigen Europa. Der SPD-Vorschlag berge eine Gefahr für die EU und die Zustimmung der Bürger für Europa.
„Wenn es mit der SPD gar nicht geht, machen wir es eben alleine“, stellte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn klar und sprach sich für eine unionsgeführte Minderheitsregierung aus, sollten die Verhandlungen mit der SPD scheitern. Dies sei zwar etwas völlig Neues, müsse deshalb aber nichts Schlechtes sein, so der Merkel-Rivale. Eine Drohung in Richtung SPD, aber auch ein bemerkenswerter Schachzug, schließlich will Kanzlerin Angela Merkel eine Minderheitsregierung vermeiden, müsste sie doch mit wechselnden Mehrheiten arbeiten, wäre geschwächt. Höchst unsicher, ob eine Minderheitsregierung eine gesamte Wahlperiode durchhalten würde und Merkel nicht vorzeitig abtreten müsste. Klingbeil plant auch Neuwahlen Die SPD stelle sich parallel zu den am Mittwoch beginnenden Gesprächen mit der Union auf Neuwahlen ein, erklärte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Er werde damit beginnen, einen möglichen Bundestagswahlkampf vorzubereiten. Große Koalition nicht um jeden Preis, lautet die Botschaft der Genossen. Am Ende entscheidet bei den Sozialdemokraten die Basis in einem Mitgliederentscheid darüber, ob es ein schwarz-rotes Bündnis geben wird oder nicht. „Wir wollen Milliardeninvestitionen in die Bildung. Wir wollen Europa reformieren. Wir wollen die Situation im Gesundheits- und Pflegebereich verbessern“, sagt Klingbeil.
Angela Merkel hatte nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen von Union, FPD und Grünen deutlich gemacht, dass sie eine Minderheitsregierung nicht für eine stabile Lösung hält. Die CDU-Chefin möchte auch Neuwahlen vermeiden. „Neuwahlen wären das Schlechteste“, warnt Spahn. Man könne nicht vor die Bürger treten und sagen ‚Eure Wahl passt uns nicht, wählt noch mal‘.
Die eigentlichen Sondierungen sollen erst nach der Weihnachtspause beginnen. Am Sonntagabend kamen Präsidium und Vorstand der CDU zusammen, um die Weichen dafür zu stellen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière rechnet im Falle einer Großen Koalition erst ab März mit einer Regierungsbildung. Er plädiert dafür, die umstrittene Frage des Familiennachzugs für Flüchtlinge in diesem Fall durch eine Vorabvereinbarung zwischen Union und SPD zu regeln. „Die SPD sollte nicht glauben,