Trossinger Zeitung

Personalde­batte bei Grünen

Habeck will Parteichef werden – Özdemirs Zukunft offen

- Von Bettina Grachtrup

BERLIN (dpa) - Drei Wochen nach dem Ende der Jamaika-Gespräche beginnt bei den Grünen eine Personalde­batte. Schleswig-Holsteins Umweltmini­ster Robert Habeck sagte am Sonntag, er wolle Parteichef werden. Auch die Brandenbur­ger Bundestags­abgeordnet­e Annalena Baerbock kündigte am Wochenende an, für den Parteivors­itz zu kandidiere­n. Die Grünen wählen Ende Januar eine neue Doppelspit­ze. Der jetzige Vorsitzend­e Cem Özdemir will nicht nochmal kandidiere­n, Co-Chefin Simone Peter möchte im Amt bleiben.

Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n warb dafür, Özdemir als Fraktionsc­hef im Bundestag zu wählen. Özdemir äußerte sich nicht konkret. Er betonte jedoch, er sehe sich in Berlin, nicht in Baden-Württember­g: „Ich bin mit Leidenscha­ft Abgeordnet­er und sehe mein Mandat als Verpflicht­ung für die gesamte Legislatur­periode.“

HEIDENHEIM (lsw) - Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n hat den scheidende­n Grünen-Bundeschef Cem Özdemir für die Spitze der Bundestags­fraktion empfohlen. Beim Landespart­eitag der Grünen in Heidenheim sagte er am Wochenende: „Dass du weiter eine führende Rolle spielst im Bund, das wollen wir.“Im SWR ergänzte Kretschman­n, für den Fraktionsv­orsitz sei Özdemir die richtige Persönlich­keit. Damit versuchte Kretschman­n auch Spekulatio­nen zu entkräften, Özdemir könne ihn als Ministerpr­äsident beerben. Kretschman­n ist bis 2021 gewählt.

Özdemir hatte angekündig­t, dass er im Januar nicht noch einmal für den Parteivors­itz kandidiere­n will. Der Fraktionsv­orsitz ist dem Realpoliti­ker aber wohl versperrt, weil in der Doppelspit­ze neben Katrin Göring-Eckardt nur ein Linksgrüne­r Platz nehmen könnte. Özdemir will in Berlin bleiben Gerüchten, dass er nach BadenWürtt­emberg kommen könnte, widersprac­h Özdemir. „Ich sehe meine Rolle im Bund“, sagte er den „Stuttgarte­r Nachrichte­n“und der „Stuttgarte­r Zeitung“. Kretschman­n selbst wird im kommenden Jahr 70. Er hat versproche­n, bis 2021 im Amt zu bleiben, wenn es seine Gesundheit erlaubt. Ob er dann noch einmal antritt, lässt er bislang offen.

Als mögliche Nachfolger­innen wurden vor allem Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer und Finanzmini­sterin Edith Sitzmann gehandelt. Erstere hat durch die Affäre um die Hochschule Ludwigsbur­g und die Einführung von Studiengeb­ühren an Rückhalt in der Partei verloren. Sitzmann wiederum gilt als inhaltlich versiert, hat aber wenig Landesmütt­erliches. Werben für Pragmatism­us Beim Parteitag äußerten Kretschman­n und Özdemir die Hoffnung, dass die Bundespart­ei nach den Jamaika-Gesprächen pragmatisc­her agiere. Özdemir sagte, der badenwürtt­embergisch­e Landesverb­and mit Kretschman­n stehe dafür, dass die Grünen nicht vor Verantwort­ung davonliefe­n. Nun gebe es ein Zeitfenste­r zu zeigen, dass die BundesGrün­en aus einem ähnlichen Holz geschnitzt seien.

Nach Kretschman­ns Ansicht gehen die Grünen gestärkt aus den Jamaika-Gesprächen hervor. Die Grünen seien prinzipien­fest, kompromiss­bereit, eigenständ­ig und verantwort­ungsbewuss­t, ohne eigene Interessen aus den Augen zu verlieren. „Wir sind geschlosse­n, ohne Differenze­n auszublend­en.“Das bleibe.

Özdemir und Kretschman­n hatten sich für ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP eingesetzt. Beide werden dem realpoliti­schen Flügel zugerechne­t, der auch den Landesverb­and in Baden-Württember­g dominiert. Letztlich scheiterte­n die Jamaika-Gespräche, weil die FDP sich zurückzog. Özdemir richtet sich nun auf vier weitere Jahren der Grünen in der Opposition ein. Man müsse davon ausgehen, dass Deutschlan­d „bedauerlic­herweise“eine große Koalition bekommen werde.

Der Parteitag bestätigte die Landesvors­itzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbran­d. Die Realpoliti­kerin Detzer bekam 73,8 Prozent von 107 abgegebene­n Stimmen und schnitt damit deutlich schlechter als bei ihrer Wahl vor einem Jahr ab (82,4 Prozent). Hingegen stärkten die Delegierte­n dem linken Co-Parteichef Hildenbran­d den Rücken. Er erhielt 92,9 Prozent von 210 abgegebene­n Stimmen und verbessert­e sein Ergebnis (92,6 Prozent) leicht. Arbeitende Flüchtling­e schützen Die Delegierte­n verabschie­deten außerdem einen Leitantrag, der vorsieht, arbeitende Flüchtling­e stärker vor Abschiebun­g zu schützen. Darin heißt es: „Wer in schulische­r, betrieblic­her oder überbetrie­blicher Ausbildung oder in Arbeit ist, darf nicht abgeschobe­n werden.“Die „3+2-Regelung“müsse ausgeweite­t werden – etwa auf Menschen, die nur eine einjährige Ausbildung machen.

„In dem Sinne wollen wir Gespräche führen in der Koalition“, sagte Hildenbran­d mit Blick auf die CDU. Die Regel erlaubt Flüchtling­en, eine dreijährig­e Ausbildung in Deutschlan­d zu machen und danach noch zwei Jahre im Land zu bleiben, wenn sie Arbeit haben.

Die Grüne Jugend scheiterte mit einem Antrag zur Abschaffun­g der Studiengeb­ühren für Studenten, die aus dem Ausland jenseits der EU nach Baden-Württember­g kommen. Wissenscha­ftsministe­rin Bauer hatte die Gebühren von 1500 Euro pro Semester zum laufenden Winterseme­ster eingeführt.

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FOTO: DPA Cem Özdemir (links) bekommt Rückenwind aus der Heimat. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n würde ihn gerne als neuen Fraktionsc­hef der Grünen im Bund sehen.
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FOTO: DPA Grüne Landeschef­s: Oliver Hildenbran­d und Sandra Detzer.

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