Geschlagen, aber nicht besiegt
F renetischer Beifall brandete auf, als der irakische Premierminister Haidar al-Abadi am Wochenende auf einer Konferenz der „Arabischen Journalistenunion“die „gute Nachricht“von der „vollständigen Befreiung unseres eures Landes“verkündete. Die Vertreibung des sogenannten „Islamischen Staat“(IS) sei nicht nur ein Sieg für die Iraker, sondern auch für die Araber, Muslime und die ganze Welt, freute sich der schiitische Politiker.
Zu erwarten war dieser unbestreitbare Erfolg nicht. Gerade einmal drei Jahre sind vergangen, seitdem der IS große Teile von Syrien und dem Irak nahezu kampflos erobert hatte und binnen weniger Stunden die Zweimillionenstadt Mosul unter seine Kontrolle bringen konnte. Das Zweistromland galt nach dem Zusammenbruch der staatlichen Strukturen als „gescheiterter Staat“. Experten diskutierten die Dreiteilung des Irak in einen sunnitischen, schiitischen und kurdischen „Kanton“.
Derartige Planspiele sind nach dem militärischen Sieg über den IS, zu dem auch die US-geführte Militärkoalition beigetragen hat, erst einmal vom Tisch. Zu Euphorie besteht freilich kein Anlass. Nur wenige Stunden nach der „Siegesverkündung“des irakischen Ministerpräsidenten sprengten sich in der nordirakischen Stadt Kirkuk fünf Selbstmordattentäter des IS in die Luft, nachdem ihr Versteck von Sicherheitskräften umzingelt worden war. Derartige „Schläferzellen“dürfte es auch noch in anderen irakischen Städten geben. Gleiches gilt für Syrien, wo die Terrormilizen trotz Siegesmeldungen des Moskauer Verteidigungsministeriums noch längst nicht geschlagen sind. „Der IS ist noch da. Er bleibt ein Akteur am Boden, wird sich in die Wüste zurückziehen, um sich neu zu gruppieren und weiterzukämpfen“, glaubt Schiraz Maher vom King’s College in London.
Ob diese Umgruppierung langfristig in Syrien möglich sein wird, bleibt abzuwarten. Die Terrororganisation kontrolliert dort nur noch wenige Ortschaften im Nordwesten des Landes, welche zuvor von dem Kaida-Ableger Nusra-Front gehalten wurden, mit dem sich der IS nun heftige „Brüderkämpfe“liefert. Weitaus bessere Chancen für eine Neuformierung böten sich den Dschihadisten in der südlibyschen Wüste, die nicht von den dortigen Konfliktparteien kontrolliert werde.
Glaubt man dem Beiruter Internetportal Al Monitor, dann soll der schon mehrfach totgesagte IS-Führer al-Baghdadi seine Kämpfer zum Umzug nach Libyen aufgefordert haben. Auch Ägyptens Staatschef Abdel-Fatah as-Sissi hatte Anfang November davor gewarnt, dass IS-Kämpfer aus dem Irak und Syrien ihre Präsenz nach Libyen verlagern könnten. Ähnliche Befürchtungen äußerte auch Marc Mitchel, ein Berater des amerikanischen Verteidigungsministers James Mattis. Libyen, sagte er dem US-Sender CNS, sei das „erste Ziel des IS-Kämpfer aus Syrien und dem Irak“. Als weitere Destinationen nannte er den Jemen, die Philippinen, Mali, Niger und Indonesien. Die Zerschlagung des IS-Kalifates in Syrien und dem Irak bedeute noch lange nicht das Ende des IS als eine internationale Organisation.