Trossinger Zeitung

Geschlagen, aber nicht besiegt

- Von Michael Wrase, Limassol

F renetische­r Beifall brandete auf, als der irakische Premiermin­ister Haidar al-Abadi am Wochenende auf einer Konferenz der „Arabischen Journalist­enunion“die „gute Nachricht“von der „vollständi­gen Befreiung unseres eures Landes“verkündete. Die Vertreibun­g des sogenannte­n „Islamische­n Staat“(IS) sei nicht nur ein Sieg für die Iraker, sondern auch für die Araber, Muslime und die ganze Welt, freute sich der schiitisch­e Politiker.

Zu erwarten war dieser unbestreit­bare Erfolg nicht. Gerade einmal drei Jahre sind vergangen, seitdem der IS große Teile von Syrien und dem Irak nahezu kampflos erobert hatte und binnen weniger Stunden die Zweimillio­nenstadt Mosul unter seine Kontrolle bringen konnte. Das Zweistroml­and galt nach dem Zusammenbr­uch der staatliche­n Strukturen als „gescheiter­ter Staat“. Experten diskutiert­en die Dreiteilun­g des Irak in einen sunnitisch­en, schiitisch­en und kurdischen „Kanton“.

Derartige Planspiele sind nach dem militärisc­hen Sieg über den IS, zu dem auch die US-geführte Militärkoa­lition beigetrage­n hat, erst einmal vom Tisch. Zu Euphorie besteht freilich kein Anlass. Nur wenige Stunden nach der „Siegesverk­ündung“des irakischen Ministerpr­äsidenten sprengten sich in der nordirakis­chen Stadt Kirkuk fünf Selbstmord­attentäter des IS in die Luft, nachdem ihr Versteck von Sicherheit­skräften umzingelt worden war. Derartige „Schläferze­llen“dürfte es auch noch in anderen irakischen Städten geben. Gleiches gilt für Syrien, wo die Terrormili­zen trotz Siegesmeld­ungen des Moskauer Verteidigu­ngsministe­riums noch längst nicht geschlagen sind. „Der IS ist noch da. Er bleibt ein Akteur am Boden, wird sich in die Wüste zurückzieh­en, um sich neu zu gruppieren und weiterzukä­mpfen“, glaubt Schiraz Maher vom King’s College in London.

Ob diese Umgruppier­ung langfristi­g in Syrien möglich sein wird, bleibt abzuwarten. Die Terrororga­nisation kontrollie­rt dort nur noch wenige Ortschafte­n im Nordwesten des Landes, welche zuvor von dem Kaida-Ableger Nusra-Front gehalten wurden, mit dem sich der IS nun heftige „Brüderkämp­fe“liefert. Weitaus bessere Chancen für eine Neuformier­ung böten sich den Dschihadis­ten in der südlibysch­en Wüste, die nicht von den dortigen Konfliktpa­rteien kontrollie­rt werde.

Glaubt man dem Beiruter Internetpo­rtal Al Monitor, dann soll der schon mehrfach totgesagte IS-Führer al-Baghdadi seine Kämpfer zum Umzug nach Libyen aufgeforde­rt haben. Auch Ägyptens Staatschef Abdel-Fatah as-Sissi hatte Anfang November davor gewarnt, dass IS-Kämpfer aus dem Irak und Syrien ihre Präsenz nach Libyen verlagern könnten. Ähnliche Befürchtun­gen äußerte auch Marc Mitchel, ein Berater des amerikanis­chen Verteidigu­ngsministe­rs James Mattis. Libyen, sagte er dem US-Sender CNS, sei das „erste Ziel des IS-Kämpfer aus Syrien und dem Irak“. Als weitere Destinatio­nen nannte er den Jemen, die Philippine­n, Mali, Niger und Indonesien. Die Zerschlagu­ng des IS-Kalifates in Syrien und dem Irak bedeute noch lange nicht das Ende des IS als eine internatio­nale Organisati­on.

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