Trossinger Zeitung

Ein Einstiegsa­kkordeon für Kinder

Trossinger Musikinstr­umentenbau­er Hohner sorgt sich um den Nachwuchs

- Von Oliver Schmale

STUTTGART - Egal ob Blockflöte, Blasinstru­ment oder Akkordeon: Die Instrument­enherstell­er machen sich Sorgen um den musikalisc­hen Nachwuchs. Die in Trossingen ansässige Hohner Musikinstr­umente GmbH versucht nun noch gezielter auf Kinder im Einstiegsa­lter zuzugehen. Seit eineinhalb Jahren werde ein Akkordeon für Kinder im Alter von vier bis sieben Jahren entwickelt, sagt Christian Dehn, Mitglied der Geschäftsl­eitung. Es seien schon erste Prototypen gebaut worden. Das Instrument solle auch in Deutschlan­d produziert werden. „Mit ihm soll gezielt in Vorschulen und Kindergärt­en gegangen werden, um Werbung zu machen.“Ziel sei es, von unten Bedarf zu kreieren. Und deshalb tritt das Unternehme­n mit seinen 120 Mitarbeite­rn auch verstärkt als Sponsor bei entspreche­nden Veranstalt­ungen auf, um für seine Musikinstr­umente zu werben. 25 000 Instrument­e im Jahr In Deutschlan­d lernen aktuell knapp 13 000 Schüler Akkordeon an den 930 öffentlich­en Musikschul­en. In der jüngsten Statistik des Verbandes deutscher Musikschul­en (VdM) belegt das Akkordeon Platz 14 der beliebtest­en Instrument­e. An der Spitze liegen Klavier, Gitarre, Violine, Blockflöte und Schlagzeug. Noch vor 20 Jahren rangierte das Akkordeon auf Platz sieben. Die Schülerzah­len seien seit Jahren relativ stabil, wie eine Verbandssp­recherin mitteilt. Im Norden der Republik wird nach Angaben von Hohner weniger Akkordeon gelernt als im Süden.

Das Unternehme­n produziert rund 25 000 Instrument­e im Jahr, die meisten davon werden in China hergestell­t. Im Sommer kaufte der Mittelstän­dler die Mehrheit der Anteile an dem italienisc­hen Produzente­n Industria Musicale Castelfida­rdo (IMC). Die italienisc­he Stadt stehe für die Produktion hochwertig­er Akkordeons, sagt Dehn. Dort sind weitere bekannte Hersteller und Zulieferer angesiedel­t. Dieses Potential solle genutzt werden. Vor allem im hochwertig­en Produktseg­ment sehen die Deutschen weitere Chancen, um neue Käufer zu gewinnen.

Hohner setzte im vergangene­n Jahr knapp 24,5 Millionen Euro um, im Vorjahr waren es noch 26,3 Millionen Euro. Der Rückgang wurde laut dem im Bundesanze­iger veröffentl­ichten Geschäftsb­ericht unter anderem auch mit der schwierige­n Lage in Russland und der Ukraine begründet. Der Gewinn unter dem Strich konnte aber von zwei auf drei Millionen Euro gesteigert werden. Die Eigenkapit­alquote betrug im vergangene­n Jahr 60,7 Prozent.

Hohner gehört der HS Investment Group, ein taiwanesis­ches Unternehme­n, das seinen Sitz in Tortola auf den als „Steueroase“geltenden Britischen Jungfernin­seln hat. Die Taiwanesen hatten den Trossinger Instrument­enbauer 2014 von der Börse genommen und die verblieben­en Kleinaktio­näre per Zwangsauss­chluss aus dem Unternehme­n gedrängt. In den Ohren der Kleinaktio­näre klang der Name Hohner in den Jahrzehnte­n davor nach allem anderen als Musik. Verluste und Umsatzrück­gänge oder Kapitalher­absetzunge­n standen immer wieder auf der Tagesordnu­ng. 90 Prozent gehen ins Ausland Nach dem Abgang vom Börsenpark­ett wurde das Unternehme­n umgebaut. Ein Schwerpunk­t war eine verstärkte Automatisi­erung. Früheren Angaben zufolge will Hohner bis zum nächsten Jahr fünf Millionen Euro am Standort in Trossingen investiere­n. In der Vergangenh­eit wurde zudem die Produktpal­ette in der Mundharmon­ika-Sparte gestrafft, wie Dehn berichtete. Aktuell gebe es noch rund 60 Modelle. In der Vergangenh­eit waren es ein Fünftel mehr. Das nun anstehende Weihnachts­geschäft ist für Hohner von großer Bedeutung – nicht nur, was Akkordeons angeht, sondern auch bei den Mundharmon­ikas. Von denen verkauft der Mittelstän­dler rund zwei Millionen Stück im Jahr.

Im Vertrieb setzt das Unternehme­n auf Großhändle­r, die wiederum an die Einzelhänd­ler liefern. „Einen direkten Zugang zum Kunden haben wir nicht“, sagt Dehn. Deshalb sei die Kommunikat­ion mit den Instrument­enspielern umso wichtiger. Die erfolgt heute unter anderem auch über das Internet. Fast 90 Prozent der Erlöse wurden im vergangene­n Jahr im Ausland erwirtscha­ftet. Rund 30 Prozent des Umsatzes wurden in Nordamerik­a erzielt. Neben dem Heimatmark­t seien auch Spanien, Frankreich und Großbritan­nien wichtig und in Asien Japan sowie Korea. In Südamerika solle künftig das Geschäft mit dem Akkordeon ausgebaut werden. Und in China kann sich das Unternehme­n vorstellen, künftig noch stärker aktiv zu werden. Dazu müsse aber zunächst der Vertrieb ausgebaut werden, so Dehn weiter. Konkreter wollte er aber nicht werden.

Insgesamt zählte die Branche in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr 21 Betriebe mit mehr als 50 Beschäftig­ten, wie das Statistisc­he Bundesamt mitteilte. Die Unternehme­n beschäftig­ten fast 2600 Mitarbeite­r.

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FOTO: DPA Endmontage im Fertigungs­werk der Firma Hohner in Trossingen: Eine Mitarbeite­rin macht ein Akkordeon für den Versand fertig.

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