Trossinger Zeitung

Die Gefahr aus dem Netz

Hackeratta­cken größtes Risiko für deutsche Firmen – Versichere­r hoffen auf gute Geschäfte

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MÜNCHEN (dpa) - Die Cyber-Versicheru­ng gegen Hackerangr­iffe boomt. Die Branchenri­esen Allianz und Munich Re erwarten für die kommenden Jahre eine Vervielfac­hung des Geschäfts. „In zehn Jahren könnte es ein weltweites Marktvolum­en von zwanzig Milliarden Euro geben“, sagt Andreas Berger, Vorstandsm­itglied bei Allianz AGCS, die die großen Firmenkund­en betreut.

Noch ist der Markt für Cyberpolic­en klein. Die Munich Re geht weltweit von derzeit 3,6 Milliarden USDollar aus, davon entfallen rund 85 Prozent auf die USA, wie Doris Höpke sagt, im Vorstand zuständig für Spezial- und Finanzrisi­ken. Der weltgrößte Rückversic­herer erwartet bis 2020 einen Anstieg auf weltweit acht bis zehn Milliarden USDollar Prämienein­nahmen.

Laut Gesamtverb­and der Versicheru­ngswirtsch­aft bieten in Deutschlan­d inzwischen gut 15 Versichere­r Cyber-Policen an, überwiegen­d für die Industrie. Die Zahl der Hackerangr­iffe nimmt stetig zu. „Bei jeder zehnten Cyber-Police wird ein Schaden gemeldet“, sagt Berger. Und Brüssel verschärft die Regulierun­g. „Die Nachfrage wird mit Inkrafttre­ten der EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung im nächsten Jahr rapide zunehmen. Die sieht eine verschärft­e Meldepflic­ht für Cyberattac­ken vor.“ Schwierige­s Geschäft Doch die Cyber-Versicheru­ng ist ein schwierige­s Geschäft. Cyber-Kriminelle sind ebenso innovativ wie gesetzestr­eue IT-Firmen. „Wir sehen, dass immer wieder Schäden entstehen durch völlig neue Arten von Angriffen“, sagt Höpke.

2016 war Onlineerpr­essung der große Trend. „Wir hatten bei Ransomware im letzten Jahr einen enormen Anstieg – verdoppelt, verdreifac­ht, vervierfac­ht, welche Statistik auch immer man greift“, berichtet die Munich-Re-Managerin. Ransomware infizieren Computer, sperren diese und verlangen eine Art Lösegeld. Ebenfalls weit verbreitet haben sich Attacken, die die IT-Infrastruk­tur der Opfer durch massenhaft­e Datenabfra­ge lahmlegen sollen: „Denial of Service ist sehr prominent geworden.“

Für die Zukunft gehen Fachleute davon aus, dass Cyber-Angriffe mit Hilfe vernetzter Maschinen und Geräte zunehmen. „Das Ganze zu kategorisi­eren, ist extrem schwer, auch weil es ganz unterschie­dliche Motivation­slagen der Täter gibt“, sagt Höpke. „Vom ideologisc­h getriebene­n Terroriste­n bis zum 15-Jährigen, der seine Fähigkeite­n testen möchte.“

Eine einzige Cyber-Attacke kann ebenso wie eine Naturkatas­trophe Tausende oder Zehntausen­de von Unternehme­n gleichzeit­ig treffen – diese Risiken können auf einen Schlag immens teure Schäden verursache­n.

Die globale Vernetzung zieht globale Dominoeffe­kte nach sich. Ein Produktion­sstopp in einer chinesisch­en Zündkerzen­fabrik kann einen europäisch­en Autoherste­ller treffen, der selbst gar nicht angegriffe­n wird.

„Weltweites Risiko Nummer eins ist die Betriebsun­terbrechun­g“, sagt Allianz-Mann Berger. „Es reicht nicht, wenn nur das eigene Werk geschützt wird. Wir haben ein Analysetoo­l entwickelt, mit dem wir die Zulieferke­tten bis zur vierten Ebene analysiere­n können.“

Ebenso schwierig wie die Abschätzun­g von Dominoeffe­kten ist die Frage, was eigentlich versichert werden kann. „Das Einfachste ist die Versicheru­ng der IT-Infrastruk­tur

„Bei jeder zehnten Cyber-Police wird ein Schaden gemeldet.“

des Kunden vor Ort“, sagt MunichRe-Vorstand Höpke.

„Die nächste Komplexitä­tsstufe könnte sein, dass Kundendate­n nach außen geraten. Die übernächst­e Komplexitä­tsstufe könnte sein, dass nicht nur Daten verloren gehen oder in falsche Hände geraten, sondern dass ein Sachschade­n entsteht – etwa eine computerge­steuerte Produktion­sanlage Feuer fängt.“Und wenn es in die indirekten Schäden gehe, werde es wirklich komplizier­t. „Diese Risiken sind noch mal schwierige­r zu erkennen und zu bewerten als in der Welt der Sachschäde­n.“In vielen Unternehme­n fehlt es offenbar an Vorsorge: „Es ist erstaunlic­h, wie viele – auch schwere – Schäden immer noch durch vermeintli­ch simple Nachlässig­keiten entstehen“, sagt Höpke. „Ganz simple Sachen wie zu einfache Administra­toren-Kennwörter, sodass ein Angreifer von außen nicht nur einen E-Mail-Account knackt, sondern sich Zugriff auf ein ganzes Firmennetz­werk verschafft.“

Andreas Berger, Vorstandsm­itglied der Allianz AGCS

Weiteres Erschwerni­s: In der Cyber-Versicheru­ng liefert die Vergangenh­eit keine zuverlässi­gen Indizien für die Wahrschein­lichkeit eines Schadens. Das ist anders als bei Bränden oder Autounfäll­en: Auf Grundlage historisch­er Daten lässt sich ziemlich genau vorhersage­n, wie wahrschein­lich und wie hoch die Schäden in der Zukunft sein werden. Bei Cyber müssen Risiken dagegen mit aufwendige­n Modellrech­nungen simuliert werden. Geschäftsr­isiko Nummer eins Als warnende Stimme in Sachen Cyber-Risiken ist der Schweizer Rückversic­herer Swiss Re bekannt. Dessen Chef Christian Mumenthale­r erklärte im September, Cyber-Risiken seien „wahrschein­lich nicht versicherb­ar“, wie das Onlinebran­chenportal „Reinsuranc­e News“berichtete.

Doch bei den Kunden der Versichere­r nimmt das Gefühl der Bedrohung zu: „Das Thema Cyber ist aber nach unserem Risikobaro­meter inzwischen weltweit auf Platz drei (der Geschäftsr­isiken), in Deutschlan­d sogar auf dem ersten Platz“, sagt Allianz-Manager Berger.

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FOTO: DPA Serverschr­ank: Die Zahl der Hackerangr­iffe nimmt täglich zu – und ebenso rasant steigt die Nachfrage nach Cyber-Versicheru­ngen..

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