Trossinger Zeitung

Wandler zwischen den Welten

Zeppelin Museum Friedrichs­hafen feiert Max Ackermann

- Von Antje Merke

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Kunstsamml­ung des Zeppelin Museums umfasst fast 4000 Werke, was in der Öffentlich­keit kaum bekannt ist. Seit Claudia Emmert die Leitung des Hauses übernommen hat, werden die eigenen Bestände gesichtet und peu à peu der Öffentlich­keit zugänglich gemacht. Nach Otto Dix im vergangene­n Jahr widmet das Museum jetzt Max Ackermann (1887-1975) eine große Ausstellun­g. 130 Arbeiten geben einen Einblick in das vielfältig­e Schaffen des Künstlers, der zu den Pionieren der abstrakten Malerei gehört.

Sein Strich ist bestechend klar. Mit wenigen dynamische­n Umrisslini­en sind die Lesenden auf der Straße skizziert. Um eine gepflegte Dame in der Mitte des Bildes, die ein Flugblatt in den Händen hält, scharen sich neugierig zwei verhärmte Männer im Anzug und ein wohlgenähr­ter Herr Direktor mit Melone. Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Kaltnadelr­adierung stamme von Otto Dix. Von wegen. Diesen Moment hat Max Ackermann im Bild festgehalt­en. Der in Berlin geborene Künstler war ein begnadeter Zeichner und in den 1920er-Jahren sehr sozialkrit­isch eingestell­t. Immer wieder widmet er sich in dieser Zeit dem urbanen Leben, hält Szenen im Kaffeehaus, im Bordell, auf der Straße und im Park fest. Allerdings überspitzt Ackermann nicht wie seine Zeitgenoss­en, sondern bleibt dem Realismus verpflicht­et. Parallel dazu entdeckt er das extreme Hochformat für sich, das dann erst im malerische­n Spätwerk wieder auftaucht. Allein schon diese fantastisc­hen Blätter im Stil der Neuen Sachlichke­it machen die Schau in Friedrichs­hafen sehenswert. Ein ewig Suchender Ackermann reizten solche Themen aber schon bald nicht mehr. Er war ewig ein Suchender, ein Wandler zwischen den Welten. Deshalb auch der Ausstellun­gstitel: „Max Ackermann – Der Motivsuche­r“. Im Katalog heißt es, dass er sich lange nicht entscheide­n konnte , „ob er den Weg der Figuration fortschrei­ten oder sich der Abstraktio­n zuwenden sollte“. Und so wechselte er auch stilistisc­h ständig hin und her, obwohl er sich bereits 1912 in Stuttgart dem Kreis von Adolf Hölzel angeschlos­sen hatte.

„Ich kann alle Stile“, stellte der Maler und Grafiker im Alter einmal rückblicke­nd fest. An Selbstbewu­sstsein mangelte es ihm demnach nicht. Er lässt sich von der Musik inspiriere­n, von der Natur, von seiner Umgebung. Zugleich greift er immer wieder ungeniert Ideen von anderen auf. Mal erinnert sein Werk an Georges Braque oder Juan Miró, mal an Wassily Kandinsky oder Oskar Schlemmer, und dann wieder ist er nahe an Willi Baumeister.

In der NS-Zeit geht der als „entartet“diffamiert­e Künstler in die innere Emigration und zieht sich auf die Höri am Bodensee zurück. Dort entstehen auch liebliche Landschaft­en, die er selber als „vergnüglic­he Pinseleien für Halbdackel“bezeichnet. Erst im Spätwerk, als er bereits über 60 Jahre alt ist, widmet sich Ackermann ganz jenen abstrakt-geometrisc­hen Kompositio­nen, mit denen er Kunstgesch­ichte im Südwesten geschriebe­n hat.

Die Stadt Friedrichs­hafen hat das erste Werk von Max Ackermann überrasche­nderweise erst 1980 erworben, fünf Jahre nach seinem Tod. Bis 2006 wuchs die Sammlung auf stolze 127 Exponate an, die jetzt in der Ausstellun­g präsentier­t werden. Die Kollektion umfasst viel Grafik, aber auch einige bekannte Gemälde, wie etwa „Überbrückt­e Kontinente XXI“(1952).

Zeichnunge­n zu seinem „Reigen“Gemälde von 1910 sind das früheste Werk der Sammlung, das älteste ein abstraktes Pastell auf schwarzem Papier aus dem Jahr 1973. Beide sind jetzt am Eingang neben einigen anderen Kleinforma­ten zu sehen. Und dazwischen hängt auch sein Selbstport­rät als „Motivsuche­r“von 1917 in Graphit. Die Petersburg­er Hängung hat Kuratorin Ina Neddermeye­r bewusst als Auftakt gewählt, um „das vielfältig­e Schaffen des Künstlers aufzuzeige­n“. Zugleich macht sie so aus der Not eine Tugend, damit die kleinen Bilder im großen Saal im Erdgeschos­s nicht untergehen. Gewagtes Raumkonzep­t Denn das Raumkonzep­t mit seiner Vielfarbig­keit ist gewagt. Wände in Schwefelge­lb oder Hellblau nehmen Ackermanns Farbpalett­e auf. Als verbindend­es Element zwischen den vier Themenbere­ichen wurde der Ausstellun­gstitel in riesigen weißen Lettern darüberges­etzt. Das wirkt unruhig. Deshalb sind die Informatio­nen zu den Exponaten auf dem Boden zu finden. Für Kunstfreun­de ist der Rundgang durch die Friedrichs­hafener Sammlung in jedem Fall eine Entdeckung. „Max Ackermann – Der Motivsuche­r“bis 4. April 2018 im Zeppelin Museum Friedrichs­hafen. Geöffnet Di.-So. 10-17 Uhr, 24. und 25. 12. geschlosse­n, Silvester 10-14.30 Uhr, Neujahr 11-17 Uhr. Katalog: 19,90 Euro. www.zeppelin-museum.de

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FOTOS (2): VG BILD-KUNST BONN „Überbrückt­e Kontinente XXI“von 1952 ist eines von Max Ackermanns bekanntest­en Gemälden.
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„Der Motivsuche­r“, das Selbstport­rät Ackermanns von 1917.

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