Trossinger Zeitung

„Demokratie­prinzip ist in eklatanter Weise verletzt“

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Zum Artikel „Ich kann treffen, wen ich will“in der Ausgabe vom 13. Dezember haben wir einen Leserbrief bekommen. „Draußen vor der Tür…. PS und Grüne ausgesperr­t: Der oberste Grundsatz in der Demokratie ist das Mitsprache­recht aller, möglicherw­eise auch unbequemer Fraktionen. Die Gewichtung dieses Grundsatze­s ist so bedeutend, dass er im Grundgeset­z sogar in dem unabänderl­ichen Artikel 20 zu finden ist. Nur unter Beachtung dessen sind die nachrangig­en Ziele Frieden und Gerechtigk­eit in der Gesellscha­ft erreichbar.

Die Beratung und Verabschie­dung eines städtische­n Haushaltsp­lans ist das Kronrecht der gewählten Volksvertr­eter. Wer eine „Vorberatun­g“hinter verschloss­enen Türen mit vermeintli­ch genehmen Fraktionsv­orsitzende­n unter Hinzuziehu­ng von Verwaltung­sleuten organisier­t, setzt sich dem Verdacht der Befangenhe­it aus. Das Demokratie­prinzip ist in eklatanter Weise verletzt. Ausgesperr­t wurden nicht nur die Volksvertr­eter der beiden benachteil­igten Fraktionen im Spaichinge­r Gemeindera­t, ignoriert wurde rund ein Viertel der repräsenti­erten Bevölkerun­g. Zum Frieden in der Stadt tragen solche Aktionen gewiss nicht bei, selbst wenn man sich juristisch mit der Gemeindeor­dnung zu rechtferti­gen versucht. Wen wundert es da noch, dass der Vorsitzend­e von Pro Spaichinge­n unter Protest den Sitzungssa­al verließ? Anfechtbar­e Entscheidu­ng? Vom Demokratie­prinzip wird gleicherma­ßen getragen, dass alle Gemeindera­tsmitglied­er zur gleichen Zeit den gleichen Informatio­nsstand zu anstehende­n Entscheidu­ngen haben. Es ist Aufgabe der Verwaltung, dies in allen Fällen aktiv und ohne Ansehen der Person sicherzust­ellen. Die eingeladen­en Fraktionsv­orsitzende­n hatten, so war der Presse zu entnehmen, einen Informatio­nsvorsprun­g, die benachteil­igten Fraktionen konnten sich in der kurzen Zwischenze­it nicht sachgerech­t einarbeite­n bzw. Anträge stellen. Möglicherw­eise eine anfechtbar­e Entscheidu­ng, die so zustande kommt…

Das Öffentlich­keitsprinz­ip wurde verletzt. Der Bürger hat bei Themen, die vom Gesetz nicht als nicht öffentlich festgelegt werden, das Recht zu erfahren, wie Beschlüsse zustande kommen und welche Volksvertr­eter in welcher Weise daran beteiligt waren. Für ein „Schattenka­binett“gibt es keine rechtliche Grundlage und keinen Bedarf. Ich habe kein Verständni­s dafür, dass sich Gemeinderä­te für ihre Bereitscha­ft zur Mitarbeit in ihrer Freizeit in unangemess­ener Weise abkanzeln lassen müssen, wie verschiede­ntlich berichtet wurde. Die perfekte Aufbereitu­ng eines Themas obliegt der Verwaltung. Für Vorwürfe an Leute, die sich nicht ganztags neben ihrem Beruf vorbereite­n können, fehlt das Verständni­s?

Wieder sehe ich einen Anlass, eine Besonderhe­it nur der badenwürtt­embergisch­en Gemeindeor­dnung zu beklagen, nämlich die Personalun­ion des Vorsitzend­en des Gemeindera­ts und des Chefs der Verwaltung. Eine Gewaltente­ilung, wie in anderen Bundesländ­ern, könnte viel Ungemach ersparen. Dann könnte der Bürgermeis­ter sich voll auf seine Funktion als Moderator im Gemeindera­t konzentrie­ren.

Herrn Thesz, als Vorsitzend­em meiner ehemaligen SPD, möchte ich zu bedenken geben, wenn er diese unzulässig­e Form der Vorababsti­mmung zum Prinzip für die Zukunft erheben will: Fraktionen können sich jederzeit besprechen, sobald aber durch die Verwaltung eine nichtöffen­tliche Sitzung daraus gemacht wird und andere mutwillig ausgeschlo­ssen werden, wird die Sache bedenklich. Er lobt die kurzen, effektiven Entscheidu­ngsprozess­e, wie ich seiner Stellungna­hme entnehme. Die Demokratie geht aber den gerechten Weg, nicht den kurzen. Die kürzesten Prozessweg­e hat die Diktatur! Draußen vor der Tür…… stand die Demokratie – reinlassen, zulassen!“Helmut Stoklossa Spaichinge­n

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