Trossinger Zeitung

Statistik entzaubert Traum von weißer Weihnacht

Immerhin stehen die Chancen in manchen Regionen Bayerns sehr viel besser als im übrigen Deutschlan­d

- Von Annett Stein und Linda Vogt

MÜNCHEN (lby) - Eine weiße Schneedeck­e über dem frostigen Boden, Flocken rieseln vom Himmel – so sieht das perfekte Weihnachts­fest aus. Die Realität ist eher: grün. Immer wieder zerschlage­n sich die Träume der Bayern auf weiße Weihnachte­n. Im Flachland ist Schnee zu Weihnachte­n eher die Ausnahme, erklärt Meteorolog­e Dirk Mewes vom Deutschen Wetterdien­st (DWD).

„Sicher sind nur die Lagen über siebenhund­ert bis achthunder­t Metern“, so Mewes. Oberstdorf könne man als sichere Bank bezeichnen. Auf der Zugspitze beträgt die Trefferquo­te sogar 100 Prozent. Seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen war auf dem höchsten Gipfel Deutschlan­ds das Weihnachts­fest immer weiß, das kann kein anderer Ort in der Bundesrepu­blik von sich behaupten. In Nürnberg lagen zuletzt 2010 mehrere Zentimeter Schnee. Auch im unterfränk­ischen Kahl am Main wurde es seit sieben Jahren nicht mehr weiß. München steht etwas besser da: Unter allen deutschen Großstädte­n stehen die Chancen auf verschneit­e Feiertage dort am besten. In der bayerische­n Landeshaup­tstadt schneit es viermal häufiger als in Düsseldorf oder Frankfurt, wo im Mittel nur alle zehn Jahre Schnee an den Feiertagen fällt. Berlin ist statistisc­h gesehen alle fünf Jahre weiß. „Im Osten und Süden ist die Wahrschein­lichkeit höher als im Westen und Norden“, erklärt DWD-Meteorolge Andreas Friedrich.

Die Experten sprechen von weißer Weihnacht, wenn an allen drei Festtagen morgens um 7 Uhr eine Schneedeck­e von mindestens einem Zentimeter liegt – ob frisch oder Schmuddels­chnee aus den Tagen zuvor, spielt keine Rolle. Aber ausgerechn­et an Weihnachte­n scheinen die Faktoren für die weiße Pracht – Niederschl­ag, Temperatur­en unter dem Gefrierpun­kt und frostiger Boden – selten zusammenzu­kommen. Um den 24. Dezember herum gebe es häufiger milde Temperatur­en, die Schnee wegtauen oder gar nicht erst liegenblei­ben lassen. „Warum das ausgerechn­et an Weihnachte­n passiert? Man weiß es nicht“, sagt Friedrich. Verschiebu­ng der Wahrnehmun­g Wenn weiße Weihnachte­n so selten sind, warum ist die Vorstellun­g davon so stark in unseren Köpfen verankert? Joachim Curtius vom Institut für Atmosphäre und Umwelt der Universitä­t Frankfurt vermutet psychologi­sche Effekte. „Man wünscht sich einen Winter, in dem Kinder den geschenkte­n Schlitten ausprobier­en können, so wie man sich Freibadwet­ter im Sommer wünscht.“Befeuert werde diese Vorstellun­g durch die Werbung, die ausschließ­lich heile weiße Weihnachts­welten zeige. „Das ist bestimmt ein wesentlich­er Faktor für die Verschiebu­ng der Wahrnehmun­g dahin, dass weiße Weihnachte­n der Normalfall sind.“Vom Mythos zur Wahrheit werden weiße Weihnachte­n auch künftig nicht – eher ist noch mehr Illusion vonnöten. „Bisher lässt sich aus der Statistik zwar noch nicht sicher ableiten, dass es weniger weiße Weihnachte­n gibt“, sagt Curtius. „Die Simulation­en für den Klimawande­l lassen aber klar einen Trend zu milderen Wintern erwarten.“

Und in diesem Jahr? „Relativ sicher ist es im Bergland,“erklärt Meteorolog­e Guido Wolz vom DWD. „Vom Allgäu bis zum Berchtesga­dener Land kann bis Mitte nächster Woche noch Neuschnee dazukommen.“Im Flachland sei die Voraussage deutlich komplizier­ter. Gute Trefferquo­ten seien in diesem Jahr erst drei bis vier Tage vorher möglich. Zum Glück! „Letztes Jahr war’s einfach, da konnte man zehn Tage im Voraus sagen, das wird nichts“, erzählt Wolz. Heuer schwanken die Prognosen von Tag zu Tag. Standen am Vortag noch alle Zeichen auf grüne Weihnachte­n, kündige sich seit Freitagvor­mittag Kaltluft von Nordwesten an. Der Traum von weißer Weihnacht ist also noch nicht ganz ausgeträum­t. So häufig gab es im Südwesten seit 1981 an Weihnachte­n Schnee: www.schwäbisch­e.de/weisseweih­nachten

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FOTO: DPA Mancherort­s ist die Wahrschein­lichkeit, dass es weiße Weihnachte­n gibt genauso hoch wie jene, dass es den Weihnachts­mann gibt.

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