Trossinger Zeitung

Und er verhandelt doch

Ryanair-Boss Michael O'Leary will mit Piloten und Gewerkscha­ften sprechen

- Von Sebastian Borger

LONDON - Bis vor wenigen Tagen war von totaler Kompromiss­losigkeit die Rede. Am Freitag aber warf Europas größte Airline nach Passagierz­ahlen den Steuerknüp­pel herum: Unter dem Druck von Streiks in der Vorweihnac­htszeit will Ryanair nun doch mit seinen Piloten verhandeln. Dies stelle einen „erhebliche­n Wandel“dar, liess Vorstandsc­hef Michael O'Leary verlauten. „Aber wir haben uns auch früher schon radikal verändert.“

Der Kehrtwende liegt ein Eingeständ­nis zugrunde: Schon die Spekulatio­n über mögliche Streiks in der Vorweihnac­htszeit hat dem Dubliner Billigflie­ger geschadet; tatsächlic­he Arbeitskäm­pfe hätten erhebliche wirtschaft­liche Einbußen zur Folge. In seiner Pressemitt­eilung sprach das Unternehme­n aber vor allem davon, es wolle „Sorgen von unseren Kunden abwenden“. Damit setzt Ryanair jene Piloten in Irland, Italien und Deutschlan­d unter Druck, die zuletzt Warnstreik­s angedroht hatten. Die italienisc­he Pilotengew­erkschaft hat einen für Freitag geplanten Streik daraufhin abgesagt.

Dass der sonst stets wortgewalt­ige Ryanair-CEO, der sich selbst in typischer Unbescheid­enheit einen „großartige­n Verhandler“nennt, nun bescheiden auftritt, dürfte der seit Monaten schwelende­n Krise im Unternehme­n geschuldet sein. Im Herbst mußte Ryanair Tausende von Flügen streichen. Grund waren schlecht geplante Dienstplän­e und unzufriede­ne Piloten, die erstmals auf den ihnen zustehende­n Urlaub pochten.

Forderunge­n nach gewerkscha­ftlicher Vertretung für ihre Angestellt­en hatte die 1985 gegründete Firma stets abgeschmet­tert. Stattdesse­n wurden Komitees für Beschäftig­te gegründet. Auch das jetzige Zugeständn­is – es gilt neben den Standorten in Irland, Italien und Deutschlan­d auch für Grossbrita­nnien, Spanien und Portugal – soll nur unter der Voraussetz­ung gelten, daß die Gewerkscha­ftsvertret­er allesamt für Ryanair arbeiten.

Jetzt hofft O'Leary auf eine Einigung „bald im neuen Jahr“. Das Vertrauen der Kapitäne wird sich das Unternehme­n allerdings erst erarbeiten müssen: Schließlic­h teilte der Boss ihnen in der Vergangenh­eit gern mit, sie seien überbezahl­t oder gar unnötig. Jedenfalls Co-Piloten seien bei den heutigen vollautoma­tisierten Jets eigentlich überflüssi­g, glaubt der gelernte Buchprüfer: „Der Computer übernimmt sowieso weitgehend das Fliegen.“

O'Leary, 56, ist nicht nur wegen seiner flotten Sprüche und herzhaften Flucherei ein Liebling der Londoner Wirtschaft­spresse. Das Unternehme­n fliegt auch häufig zweistelli­ge Umsatzrend­iten ein, von denen Konkurrent­en wie Lufthansa oder AirFrance-KLM nur träumen können.

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FOTO: PR Angedrohte Streiks setzen RyanairChe­f O'Leary unter Druck.

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