„Schule ist in jämmerlichem Zustand“
Claudia Riester, Vorsitzende von „Visions for Tansania“, zur Verwendung von Spendengeldern
SPAICHINGEN - „Visions for Tansania“heißt der in Spaichingen ansässige Verein, der durch unsere Leser auch in diesem Jahr unterstützt wird. Die Vorsitzende Claudia Riester reist regelmäßig in das bitterarme afrikanische Land. Regina Braungart hat sie zu dem von den Lesern der Schwäbischen Zeitung unterstützten Projekt gefragt. Frau Riester, Ihr Verein wird auch in diesem Jahr von unseren Lesern unterstützt. Wofür soll das Geld verwendet werden? Aktuell haben wir den Schwerpunkt, die weiterführende Schule in Moshi zu unterstützen. Das tun wir schon seit drei Jahren. Mit den Spendengeldern von der letzten Aktion haben wir an der Old Moshi Secondary School die Bibliothek ausgestattet. Ziel ist jetzt, mit den Spenden der Leser einen großen Computerraum einzurichten. In Tansania werden in eine solche weiterführende Schule mit Internat nur die besten Schüler geschickt. Aber die Schule ist in einem jämmerlichen Zustand. Dabei sollen die Kinder mit dem größten Potenzial eine gute Bildung haben, damit sie später ihr Land auch entwickeln können. Es fehlt an den Ausstattungen, zum Beispiel versuchen wir durch Spenden englischsprachige Bücher anzuschaffen. In der Schule sind Mädchen und Jungen? Ja, wobei die Mädchen in der deutlichen Minderheit sind. Sie werden von ihren Familien aus der Schule genommen, weil sie auf den Feldern helfen oder die jüngeren Geschwister beaufsichtigen müssen. Unser Ziel ist es, dass auch Mädchen verstärkt Bildung bekommen. Ihr Verein ist noch ziemlich jung und auch noch klein. Nun unterstützen Sie die Schule in Moshi schon im dritten Jahr. Wie schaffen Sie es, nachhaltig zu wirken? Wir versuchen, im Gespräch zu bleiben im Raum Spaichingen und im Bodenseekreis, wo ja auch einige unserer 40 Mitglieder wohnen. Durch die Presse, durch Aktionen, zum Beispiel ist an Ostern wieder ein Benefizkonzert geplant. Und Sie haben eine schlanke bis kostenlose Verwaltung... Ja, die Verwaltung kostet gar nichts, das spenden wir selbst sozusagen. Auch die Reisen werden natürlich privat finanziert. Sie reisen regelmäßig nach Tansania... Dieses Jahr war ich zwei Mal dort, nächstes Jahr werde ich in den Osterferien hinreisen. Die Besuche dienen natürlich auch der Kontrolle der Projekte, damit das Geld auch direkt und vollständig dort verwendet wird. Dieser direkte Bezug ist den Spendern auch wichtig. Wie sieht in Tansania die Situation im Hinblick auf Migration und Flucht aus? Tansania ist eines der ärmsten Länder der Welt. Das bedeutet, dass über 50 Prozent der Bevölkerung von Hunger bedroht sind. Jeder Tansanier träumt von Europa und von einer besseren Perspektive. Aber kaum jemand hat genug Geld, um die Reise zu bezahlen. Es gibt auch welche, die versuchen, weg zu kommen. Viele gehen nach Südafrika, das näher liegt. Die deutsche Botschaft in Daressalam hat einen Informationspunkt „Rumours about Germany“, also Gerüchte über Deutschland, in denen etwa gesagt wird, dass es kein Willkommensgeld gibt und so weiter. Damit soll den Schleppern entgegen gewirkt werden. Unser großes Ziel ist, den Leuten zu helfen, eigenverantwortlich ihre Zukunft vor Ort zu gestalten. Und wie sieht es mit Flüchtlingen innerhalb des Kontinents aus? Laut Brot für die Welt leben neun von zehn Flüchtlingen weltweit in Entwicklungsländern, ein Großteil davon in Afrika. Von Burundi und Somalia versuchen Menschen nach Tansania zu kommen, weil es dort keinen Krieg gibt. In Tansania leben rund 120 verschiedene Ethnien sehr friedlich zusammen. Was sind für die Zukunft die wichtigsten Aufgaben und Anliegen des Vereins und Tansania? Neben dem Genannten sind auch Bildungspatenschaften ein weiterer Schwerpunkt. Wir haben inzwischen 36, Tendenz steigend. Wir haben benachteiligte Kinder und Jugendliche begleitet und davon ist bereits einer Medizinstudent, eine Lehrerin, ein Elektriker, ein Krankenpfleger, also in Berufen, die die das Land aufbauen helfen. Welche Vorstellung haben die Leute in Tansania denn von Deutschland? Sie erwähnten die „Gerüchte“. Sie meinen, bei uns fließt das Geld, ohne dass man groß etwas dafür tun muss. Man kann das auch verstehen, wir reisen dort hin und geben Unsummen für Safaris aus, da muss das Geld ja im Überfluss da sein. Und man kann sich nicht vorstellen, dass es auch hier Menschen gibt, die leiden, denen es auch materiell nicht gut geht. Wissen die Leute, dass es afrikanischen Flüchtlingen vor allem auf der Flucht, aber auch bei uns oft schlecht ergeht? Was in Libyen passiert, wissen sie und sind ganz geschockt. Auch dass viele im Mittelmeer ertrinken, wissen die Leute.