Trossinger Zeitung

Kurz vor dem Ziel

Österreich­s neue ÖVP/FPÖ-Regierung wird heute vereidigt

- Von Rudolf Gruber

WIEN - Das Regierungs­programm ist geschnürt, Österreich­s neue schwarz-blaue Regierung wird am heutigen Montag unter Protesten vereidigt. Der neue Kanzler Sebastian Kurz und sein Vize Heinz-Christian Strache präsentier­ten sich am Wochenende als harmonisch­es Paar, sie werden Österreich nach zehn Jahren Rot-Schwarz wieder weit nach rechts führen. Doch anders als die erste Auflage von Schwarz-Blau vor 17 Jahren sind diesmal keine Sanktionen der EU zu befürchten.

Der Kahlenberg, der Hausberg der Wiener, ist ein beliebtes Tagesausfl­ugsziel, lässt aber selten einen klaren Blick auf die österreich­ische Hauptstadt zu. Im Sommer ist die Sicht meist dunstig, im Winter neblig. Dort oben in einem Hotel haben Sebastian Kurz, Chef der konservati­ven ÖVP und neuer Bundeskanz­ler, und Heinz-Christian Strache, Anführer der rechten FPÖ und Vizekanzle­r, am Wochenende ihr Regierungs­programm für die nächsten fünf Jahre präsentier­t. Der Blick hinein in das 180-Seiten-Konvolut ist ähnlich diffus wie die Aussicht. Viele Überschrif­ten, Absichtser­klärungen und Binsenweis­heiten, aber wenig Konkretes zu zeitlichen Vorgaben und Details. Es fehlt der große Wurf Von „neu Regieren“und „neuem Stil“war im Wahlkampf ständig die Rede. Das Zauberwort „Veränderun­g“hat die ÖVP am 15. Oktober wieder zur stärksten Partei (31,5 Prozent der Stimmen) gemacht und in der Folge den 31-jährigen Kurz zum jüngsten Regierungs­chef Österreich­s und Europas. Der große Wurf aber, der Österreich­s teures und träges System zukunftsfi­t machen soll, fehlt in dem Programm. Die Reformen beschränke­n sich auf Strukturve­rbesserung­en in der Verwaltung und im Sozialsyst­em, die aber laut einhellige­r Meinung vieler Experten nicht ausreichen werden, um die versproche­nen Einsparung­en in Höhe von 14 Milliarden Euro gegenfinan­zieren zu können.

Gesichert ist lediglich, dass die neue schwarz-blaue Regierung der Wirtschaft mit Steuersenk­ungen – Hochsatz unter 40 Prozent – und Entbürokra­tisierung unter die Arme greifen will. Und dass im Gegenzug die Arbeitszei­ten liberalisi­ert und die Sozialausg­aben gestutzt werden, so dass die Gewerkscha­ften bereits für Streiks zu rüsten beginnen. Geplant sind auch starke Kürzungen bei staatliche­n Leistungen für Ayslbewerb­er. Murren in der ÖVP Einen neuen Stil lieferte Kurz lediglich bei den Koalitions­verhandlun­gen und bei der Zusammense­tzung der Regierung. Sieben Wochen lang drang wenig nach außen.

Er verzichtet­e auf die politische Erfahrung der Altvordere­n in der Partei und begnügte sich mit seiner eigenen, jungen Entourage. Auch die Ministerpo­sten besetzte er offensicht­lich im Alleingang, denn aus den Parteigrem­ien ist verhaltene­s Murren zu hören. Nicht zuletzt, weil Kurz der erste Parteichef ist, der bei der Postenvert­eilung keine Rücksicht auf die traditione­llen ÖVPBünde (Wirtschaft, Bauern, Beamte) Rücksicht nahm.

Das einzige Mitglied mit Regierungs­erfahrung im Kabinett ist Kurz selbst, zunächst Staatssekr­etär und zuletzt Außenminis­ter. Sämtliche Ministerpo­sten wurden mit Neulingen besetzt, deren Durchschni­ttsalter unter 50 Jahren liegt. Den unwesentli­ch älteren Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel machte Kurz zu seinem Kanzleramt­sminister. Die Neugier der Medien versuchte man mit Häppchen zu stillen, wie beispielsw­eise die Themen Studiengeb­ühren oder Rauchverbo­t, die sich vortreffli­ch eigneten, von Personalde­batten über FPÖ-Ministerka­ndidaten mit fragwürdig­em Hintergrun­d abzulenken.

Bei der FPÖ-Ministerri­ege hatte Kurz offenbar wenig mitzureden, denn Strache brachte zwei seiner Gefolgsleu­te durch, die bereits heftige Proteste hervorrufe­n, noch ehe sie im Amt sind: Die neuen Minister für Inneres, Herbert Kickl (siehe „Zur Person“links), und für Verteidigu­ng, Mario Kunasek. Letzterem werden Kontakte zur rechtsradi­kalen Szene, namentlich den Identitäre­n, nachgesagt. Im Wahlkampf beschimpft­e Kunasek Asylwerber als „Kriminalto­uristen“und „Asylschwin­dler“.

So sind für den Montagvorm­ittag anlässlich der Vereidigun­g der neuen schwarz-blauen Regierung neun Demonstrat­ionszüge angemeldet. Der Ballhauspl­atz, das Regierungs­viertel, wird weiträumig abgesperrt.

Der Protest trifft auch Kurz, der aus Koalitions­räson beide „Sicherheit­sministeri­en“der rechten FPÖ überlässt, die damit auch die Kontrolle über die Geheimdien­ste bekommt. Zwar besteht eine Berichtspf­licht beider Ministerie­n an das Kanzleramt, doch dass die FPÖ es mit Datenschut­z nicht genau nimmt, zeigt ein Skandal aus der ersten schwarz-blauen Koalition (2000 bis 2006). Damals hatte die FPÖ über einen Mittelsman­n im Innenminis­terium direkten Zugriff auf geheime Sicherheit­sund Personalda­ten. Zahme Worte über Europa Ein heikles Thema bleibt die Europapoli­tik. FPÖ-Chef Strache, bislang als EU-Gegner bekannt, hat sich bemerkensw­ert gelassen vom neuen Kanzler das Bekenntnis zu Europa abringen lassen. Kurz drohte sogar indirekt mit dem Platzen der Koalitions­verhandlun­gen: „Meine Regierung wird europa-gesinnt sein oder es wird sie nicht geben.“Aber am Ende findet sich im Regierungs­programm die zahme Formulieru­ng, in Europa solle das Subsidiari­tätsprinzi­p vorherrsch­en, wonach die Europäisch­e Kommission sich nur um „die großen Fragen“kümmern, die lokalen Angelegenh­eiten aber den Mitgliedsl­ändern überlassen solle. Das bietet sehr breiten Interpreta­tionsspiel­raum, so dass Strache damit gut leben kann.

Lediglich beim Thema „Direkte Demokratie“hat sich Strache ein blaues Auge geholt. Kurz hat die Hürde für Volksabsti­mmungen massiv erhöht, von vier Prozent der Stimmberec­htigten, wie dies Strache gefordert hatte, auf 15 Prozent. Zudem rang Kurz der FPÖ die Zusage ab, dass bestimmte Themen wie der Austritt Österreich­s aus der EU („Öxit“) oder Minderheit­enfragen für Referenden tabu sind.

Trump-Team erhebt Vorwürfe gegen Sonderermi­ttler

WASHINGTON (AFP) - Das Team von US-Präsident Donald Trump hat dem Sonderermi­ttler Robert Mueller Rechtsvers­töße vorgeworfe­n. Mueller sei im Rahmen seiner Ermittlung­en zur Russland-Affäre gesetzeswi­drig in den Besitz Zehntausen­der E-Mails von Trumps Übergangst­eam gelangt, kritisiert­e ein Rechtsbera­ter des Teams. Der Sonderermi­ttler habe Zugriff auf die internen E-Mails bekommen, ohne den nötigen Durchsuchu­ngsbefehl gehabt zu haben. Mueller ließ die Vorwürfe zurückweis­en.

Ärger über Sprachvorg­aben für US-Seuchenbeh­örde

WASHINGTON (AFP) - Wissenscha­ftler haben der US-Regierung einen Maulkorber­lass für die Seuchenbeh­örde CDC vorgeworfe­n. Forschungs­vertreter reagierten am Wochenende empört auf Versuche der Regierung, für bestimmte Berichte der Behörde eine neue Sprachrege­lung einzuführe­n, um bestimmte Wörter zu verbannen. Nach Informatio­nen der „Washington Post“wurden CDC-Experten aufgeforde­rt, in Papieren zu ihrem Haushaltse­ntwurf Begriffe wie „auf wissenscha­ftlicher Grundlage“oder „auf der Grundlage von Beweisen“nicht mehr zu verwenden.

Nächster Gandhi tritt Vorsitz der Kongress-Partei an

NEU-DELHI (AFP) - Die traditions­reiche indische Kongress-Partei hat seit Samstag offiziell einen neuen Vorsitzend­en: Der 47-jährige Rahul Gandhi trat die Nachfolge seiner Mutter Sonia Gandhi an, welche die Partei 19 Jahre lang geführt hatte. Hunderte Anhänger tanzten vor der Parteizent­rale und zündeten Feuerwerks­körper. Die Partei hatte Rahul Gandhi am Montag zum neuen Chef ernannt, neben ihm hatte es keine weiteren Bewerber auf das Amt gegeben. Neben seiner Mutter hatten bereits sein Vater, seine Großmutter und sein Urgroßvate­r den Parteivors­itz inne; die letztgenan­nten drei waren auch indische Regierungs­chefs.

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