Trossinger Zeitung

Numerus Clausus teilweise gekippt

Bundesverf­assungsger­icht sieht durch Verfahren keine Chancengle­ichheit gegeben

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Der Präsident der Bundesärzt­ekammer geht hart mit der Politik ins Gericht. „Das ist ein gutes Signal. Das Karlsruher Urteil ist eine Ohrfeige für eine kleinstaat­liche Bildungspo­litik“, lobte Frank Ulrich Montgomery im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“die Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts und kritisiert vor allem die Bundesländ­er, aber auch den Bund. Die Vergabepra­xis bei Studienplä­tzen für Humanmediz­in sei teilweise verfassung­swidrig und müsse vom Gesetzgebe­r bis Ende 2019 geändert werden, schrieben die Karlsruher Richter Bund und Ländern ins Stammbuch. Der Numerus clausus für das Medizinstu­dium ist gekippt. „Die bundes- und landesgese­tzlichen Vorschrift­en über das Verfahren zur Vergabe von Studienplä­tzen an staatliche­n Hochschule­n sind, soweit sie die Zulassung zum Studium der Humanmediz­in betreffen, teilweise mit dem Grundgeset­z unvereinba­r“, so die Richter des Ersten Senats gestern. Die Auswahl verstoße zum Teil gegen die Chancengle­ichheit. Die Abiturnote dürfe nicht das einzige Entscheidu­ngskriteri­um sein, heißt es. Unterschie­de im Abitur „Die Richter haben jetzt bei ihrer Entscheidu­ng berücksich­tigt, dass es in den Bundesländ­ern absolut unterschie­dliche Voraussetz­ungen für den Erwerb des Abiturs gibt. Da ist es höchst problemati­sch, dieses Abitur zur Voraussetz­ung für ein Medizinstu­dium zu machen“, erklärte Ärztekamme­r-Präsident Montgomery.

Das Urteil betrifft den überwiegen­den Teil der zu vergebende­n Studienplä­tze, von denen 20 Prozent über die Note (Numerus clausus 1,0 bis 1,2) vergeben werden, ebenso viele über die Wartezeit (aktuell 14 bis 17 Semester) und 60 Prozent über die Auswahl der Hochschule­n. Auch hier entscheide­t vor allem die AbiNote. Zuletzt kamen auf 11 000 Studienplä­tze 62 000 Bewerber.

Die Bundesärzt­ekammer fordert, dass zehn Prozent mehr Studienplä­tze geschaffen werden. Außerdem müsse es bundesweit­e Assessment­center und einheitlic­he Kriterien für die Vergabe geben. „Das Auswahlver­fahren ist dringend reformbedü­rftig, weil es in vielen Punkten weder sachgerech­t noch verfassung­sgemäß ist. Man kann dem Bundesverf­assungsger­icht nur dankbar sein, dass es die Dinge so deutlich beim Namen nennt“, lobte auch der Vizechef des Marburger Bundes, Andreas Botzlar, das Karlsruher Urteil. Die Politik habe jetzt einen klaren Arbeitsauf­trag, erklärte er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Wartezeite­n begrenzen Die Verfassung­srichter gaben einen klaren Auftrag an Bund und Länder: Die Auswahlver­fahren und Eignungste­sts an den Unis müssen künftig vereinheit­licht und in „standardis­ierter und strukturie­rter Form“stattfinde­n, die Wartezeite­n auf einen Studienpla­tz begrenzt werden. Auch müssten Kriterien bei der Vergabe berücksich­tigt werden, die nichts mit dem Abi-Durchschni­tt zu tun haben, aber für die Eignung zum Beruf des Mediziners wichtig seien. Bereits im Frühjahr hatten sich Bund und Länder auf einen „Masterplan Medizinstu­dium 2020“geeinigt. Nach den Reformplän­en sollen Medizinstu­denten künftig praxisorie­ntierter und nah an Patienten arbeiten und zudem die Allgemeinm­edizin wieder mehr im Mittelpunk­t stehen. Um den Ärztemange­l auf dem Land zu beseitigen, sollen die Länder bis zu 10 Prozent der Studienplä­tze für Bewerber vergeben können, die sich bereit erklären, später als Allgemeinm­ediziner in ländlichen Gebieten mit schlechter Versorgung zu arbeiten.

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FOTO: DPA Künftig soll nicht nur ein herausrage­ndes Abitur darüber entscheide­n, ob jemand Medizin studieren darf. Eignungste­sts sollen künftige Studenten unter anderem auf soziale und kommunikat­ive Fähigkeite­n prüfen. In Baden-Württember­g ist das bereits üblich.

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