Großartiger Jazz und „hübsche schwedische Ballettmäuse“
Schlagzeuger Willy Ketzer stellt seine Memoiren vor und spielt mit Hans-Günther Kölz und Matthias Anton
TROSSINGEN (icks) – „Book’n’Concert“nennt der Kölner Schlagzeuger Willy Ketzer seine Tournee, bei der er seine Memoiren vorstellt. Gut hundert Gäste haben am Sonntagnachmittag im Kesselhaus hervorragende Jazzstandards und Erinnerungen an große Künstler erlebt.
Eigenwillig ist der Titel von Ketzers 2016 erschienenem Rückblick auf vier Jahrzehnte als Profi-Schlagzeuger: „Am Grab gibt’s keine Steckdose“. Der 66-Jährige erklärt das mit einer seiner zahlreichen Anekdoten: Ein Verstorbener hatte genau festgelegt, was bei seiner Beisetzung erklingen sollte. Da der Kölner Melaten-Friedhof aber nicht für Stromanschlüsse gesorgt hat, habe man eben unplugged gespielt. Trotzdem laut. Und sei dafür vom Sohn des Verblichenen mit Tausend-Mark-Scheinen belohnt worden.
„Es geht immer ums Geld“zitierte Ketzer Hilde, die Gattin von Peter Alexander. Wobei er aber den österreichischen Dialekt nicht ganz traf. Obwohl er doch 15 Jahre für den „Gentleman“trommelte und dessen „wahre Größe“nie vergessen werde. Auch über Paul Kuhn weiß der Schlagzeuger aus 33 gemeinsamen Musikerjahren nur Gutes zu berichten. Doch nicht alle seine früheren Kollegen kommen ungeschoren davon. Höchstes Lob für Musikerkollegen Nur ein paar Minuten lang las Ketzer tatsächlich, stellte dann fest, dass das nichts für ihn sei. So gab er dann seine kritischen Bemerkungen, einige Jugenderinnerungen (unter anderem an „hübsche schwedische Ballettmäuse“), mehr oder weniger gute Witze sowie Kommentare über Trossingen ohne Blick auf das Manuskript zum Besten. Gar nicht lustig sei es bei so manchen Karnevalsveranstaltungen gewesen, bei denen er für die zahllosen Tusche zuständig war, wie Ketzer berichtete.
Höchstes Lob fand er für seine zwei Musikerkollegen in Trossingen: Hans-Günther Kölz, den er bereits seit zehn Jahren kennt, und Matthias Anton, „das Nesthäkchen der kleinesten Big Band der Welt“.
Mit kräftigem Beifall und häufigem Zwischenapplaus reagierten die Jazzfans auf alle neun Programmstücke: Bei Duke Ellingtons „Satin Doll“und Billy Strayhorns Aufforderung „Take the A-Train“agierte Ketzer dezent mit Besen, später wechselte er dann zu Drumsticks und härterer Gangart. Matthias Anton bewies seine hervorragende Atemtechnik meist auf dem Altsaxofon, griff für Toots Thielmanns „Bluesette“aber zum Sopransax. Warm ums Herz wurde dem Publikum bei Antônio Carlos Jobims „One Note Samba“.
Solistisch ließ Kölz seine Eigenkomposition „Without Words“erklingen, ein dezentes aber kompliziertes Stück, bei dem das ganze Hohner-Männchen erst am Schluss auf dem Balg zu sehen war.
Astor Piazzollas „Libertango“spielte das Trio frisch und strahlend – ein Hörgenuss! Auch der älteste Jazz-Standard des zweistündigen Auftritts, Caravan aus dem Jahr 1936, begeisterte. Anton spielte hier Tenorsaxofon – ebenso auswendig wie alle anderen Titel.
Bei „My Way“war es Willy Ketzer wichtig zu erwähnen, dass der Belgier Jacques Rivaux das französische Original komponiert hatte. Mit dem flotten „St. Thomas“von Sonny Rollins und der Zugabe, Mancinis „Days of Wine and Roses“, endete eine außergewöhnliche Konzert-Lesung.