Schlechter Aprilscherz
In den Wohnzimmern stehen noch die Christbäume, über den Straßen hängt die Weihnachtsbeleuchtung – und Horst Seehofer spricht bereits von Ostern. Dies sei der allerspäteste Zeitpunkt, um gemeinsam mit der SPD eine neue Regierung zu bilden, ansonsten müsse neu gewählt werden. Das klingt, zumal der Ostersonntag dieses Jahr passenderweise auf den 1. April fällt, wie ein schlechter Scherz. Doch der CSU-Vorsitzende hat es offenkundig ernst gemeint, schließlich gilt es zwischen Union und SPD große Differenzen in zahlreichen Punkten zu überwinden.
Die potenziellen Koalitionäre wären indes gut beraten, zügiger – und zwar viel zügiger – zu einem Ergebnis zu kommen. Dass die formellen Koalitionsverhandlungen erst nach dem SPD-Parteitag am 21. Januar beginnen können, ist bereits spät genug. Sollten die Gespräche dann womöglich an Ostern für gescheitert erklärt werden, wäre dies fatal – und zwar nicht nur, weil damit sämtliche EU-Reformprojekte noch länger unnötig brachliegen würden. Nüchtern betrachtet schreiten die Deutschen dann womöglich erst im Spätsommer, also gut ein Jahr nach der Bundestagswahl 2017, erneut zur Urne.
Sonderlich viel Kredit beim Wähler hat die Große Koalition bereits jetzt nicht. Union und SPD waren schließlich die großen Verlierer der Bundestagswahl vom 24. September des Vorjahres. Eigentlich müsste den Chefs der früheren Volksparteien klar sein, welche Ergebnisse sie bei einer bis ultimo hinausgezögerten Neuwahl einfahren würden.
Sich nun im Vorfeld der Verhandlungen permanent zu beharken, ist übrigens der beste Weg, beim Bürger auch noch das letzte bisschen Vertrauen in die Zukunftstauglichkeit einer neuerlichen gemeinsamen Regierung zu verspielen. Wenn sich zwei Verlierer zusammentun, sind sie generell gut beraten, sich in Bescheidenheit und Demut zu üben. Auch sollten sie beweisen, dass sie es besser können als bislang gezeigt. Sollte es tatsächlich drei volle Monate dauern, einen neuen Koalitionsvertrag auszuhandeln, wäre dies mit Sicherheit das falsche Signal. j.schlosser@schwaebische.de