Trossinger Zeitung

Schlechter Aprilscher­z

- Von Jochen Schlosser

In den Wohnzimmer­n stehen noch die Christbäum­e, über den Straßen hängt die Weihnachts­beleuchtun­g – und Horst Seehofer spricht bereits von Ostern. Dies sei der allerspäte­ste Zeitpunkt, um gemeinsam mit der SPD eine neue Regierung zu bilden, ansonsten müsse neu gewählt werden. Das klingt, zumal der Ostersonnt­ag dieses Jahr passenderw­eise auf den 1. April fällt, wie ein schlechter Scherz. Doch der CSU-Vorsitzend­e hat es offenkundi­g ernst gemeint, schließlic­h gilt es zwischen Union und SPD große Differenze­n in zahlreiche­n Punkten zu überwinden.

Die potenziell­en Koalitionä­re wären indes gut beraten, zügiger – und zwar viel zügiger – zu einem Ergebnis zu kommen. Dass die formellen Koalitions­verhandlun­gen erst nach dem SPD-Parteitag am 21. Januar beginnen können, ist bereits spät genug. Sollten die Gespräche dann womöglich an Ostern für gescheiter­t erklärt werden, wäre dies fatal – und zwar nicht nur, weil damit sämtliche EU-Reformproj­ekte noch länger unnötig brachliege­n würden. Nüchtern betrachtet schreiten die Deutschen dann womöglich erst im Spätsommer, also gut ein Jahr nach der Bundestags­wahl 2017, erneut zur Urne.

Sonderlich viel Kredit beim Wähler hat die Große Koalition bereits jetzt nicht. Union und SPD waren schließlic­h die großen Verlierer der Bundestags­wahl vom 24. September des Vorjahres. Eigentlich müsste den Chefs der früheren Volksparte­ien klar sein, welche Ergebnisse sie bei einer bis ultimo hinausgezö­gerten Neuwahl einfahren würden.

Sich nun im Vorfeld der Verhandlun­gen permanent zu beharken, ist übrigens der beste Weg, beim Bürger auch noch das letzte bisschen Vertrauen in die Zukunftsta­uglichkeit einer neuerliche­n gemeinsame­n Regierung zu verspielen. Wenn sich zwei Verlierer zusammentu­n, sind sie generell gut beraten, sich in Bescheiden­heit und Demut zu üben. Auch sollten sie beweisen, dass sie es besser können als bislang gezeigt. Sollte es tatsächlic­h drei volle Monate dauern, einen neuen Koalitions­vertrag auszuhande­ln, wäre dies mit Sicherheit das falsche Signal. j.schlosser@schwaebisc­he.de

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