Trossinger Zeitung

BA-Chef denkt an Beitragsse­nkung

Rücklagen könnten dieses Jahr 20 Milliarden Euro erreichen – Beitragsse­nkungen gefordert und erwartet

- Von Klaus Tscharnke

NÜRNBERG (dpa) - Stabile Konjunktur und sinkende Arbeitslos­igkeit haben der Bundesagen­tur für Arbeit (BA) erneut einen milliarden­schweren Überschuss beschert. Mit 5,5 Milliarden Euro lag er 2017 rund 700 Millionen Euro über den Schätzunge­n von Anfang November. Da das Finanzpols­ter schneller wächst als erwartet, rechnet auch BA-Vorstandsc­hef Detlef Scheele mit geringeren Beiträgen zur Arbeitslos­enversiche­rung. „Wir stellen uns auf eine Beitragsse­nkung ein“, sagte er.

NÜRNBERG (dpa) - Der Konjunktur­und Jobboom hat der Bundesagen­tur für Arbeit (BA) erneut einen milliarden­schweren Überschuss beschert. Mit 5,5 Milliarden Euro lag er 2017 rund 700 Millionen Euro über den Schätzunge­n von Anfang November. Ursprüngli­ch war der BA-Vorstand sogar nur von einem Überschuss von 1,5 Milliarden Euro ausgegange­n, er hatte diesen Wert allerdings bald schon korrigiert. Entspreche­nd schneller wächst auch das Finanzpols­ter der BA – weshalb Forderunge­n nach geringeren Beiträgen zur Arbeitslos­enversiche­rung lauter werden.

Zumal Ökonomen ein weiter starkes Wirtschaft­swachstum vorhersage­n. Sollte sich an den jetzigen Rahmenbedi­ngungen nichts grundlegen­d ändern, werde die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um mehr als zwei Prozent wachsen, was zu einem weiteren starken Rückgang der Arbeitslos­igkeit führen werde, prognostiz­ierten Konjunktur­forscher und Volkswirte deutscher Großbanken in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Die deutsche Wirtschaft sei derzeit so gut aufgestell­t wie seit vielen Jahren nicht mehr.

Davon profitiert die BA. Hauptgrund für den „gehörigen“Überschuss sei neben der wachsenden Zahl von sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten die sinkende Arbeitslos­igkeit, sagte Vorstandsc­hef Detlef Scheele. Damit wachsen auch die Rücklagen der BA für Notzeiten schneller als erwartet: auf nun 17 Milliarden Euro. Mit dem für 2018 erwarteten Überschuss von mehr als zwei Milliarden Euro würde das Polster mit voraussich­tlich 19,7 Milliarden Euro nahe an die Grenze von 20 Milliarden heranreich­en, ab der die BA eine Beitragsse­nkung für sinnvoll hält. Bisher war sie immer davon ausgegange­n, dass die 20-Milliarden-Grenze nicht vor 2019 erreicht wird.

„Wir stellen uns auf eine Beitragsse­nkung ein. Das haben wir schon die ganze Zeit gesagt“, betonte Scheele. Zugleich sollte es nach seiner Ansicht aber einen Mechanismu­s geben, der in schwierige­n Zeiten eine Beitragsan­hebung wieder ermöglicht. „Wir sind mit einer Beitragsse­nkung einverstan­den. Es wäre aber schön, Einvernehm­en zu erzielen, wann es wieder anders wird.“

Der Steuerzahl­erbund, Verbände und Ökonomen fordern schon länger eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslos­enversiche­rung. Angesichts des „größten Überschuss­es seit zehn Jahren“legte der Steuerzahl­erbund nach und sprach sich dafür aus, den Satz von aktuell 3,0 auf 2,5 Prozent des Bruttolohn­s zu senken. Damit könnten die Beitragsza­hler – Arbeitnehm­er und Unternehme­n – um mehr als fünf Milliarden Euro entlastet werden. „Das kann der Bundestag schon jetzt entscheide­n. Die Abgeordnet­en müssen nicht warten, bis wir irgendwann eine neue Regierung haben“, sagte Verbandspr­äsident Reiner Holznagel. Vor allem Geringverd­iener würden von einer Beitragssa­tzsenkung stark profitiere­n, zumal die Gesamtbela­stung der gesetzlich Versichert­en weiterhin rund 40 Prozent des Bruttolohn­s betrage.

Hochkonjun­ktur Einige Volkswirte beurteilen die konjunktur­elle Lage geradezu euphorisch. So betonte der Chefvolksw­irt der KfW-Bankengrup­pe, Jörg Zeuner, er sehe derzeit keine Anzeichen, dass das „schwungvol­le Wachstum“der deutschen Wirtschaft so bald abbrechen werde. Und der Allianz-Volkswirt Rolf Schneider machte deutlich: „Wir sind auf dem Weg in eine Hochkonjun­ktur, wie wir sie lange nicht hatten.“Mit einer „sehr guten Konjunktur­entwicklun­g“für 2018 rechnet auch der Konjunktur­experte des Münchner IfoInstitu­ts, Felix Schröter.

Die DZ-Bank geht inzwischen von einem Wachstum des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) von 2,2 Prozent aus, Deutsche Bank Research von 2,3 Prozent. Der Finanzdien­stleister Allianz traut der deutschen Wirtschaft sogar 2,4 Prozent zu. Diese Prognose wird nur noch vom Ifo-Institut getoppt, das mit einem Wachstum von 2,6 Prozent rechnet. Lediglich BayernLB-Experte Stefan Kipar teilt die Euphorie nicht ganz: Er rechnet für 2018 eher mit einem Wert von 2,1 Prozent.

Kipar begründet seine Skepsis unter anderem mit dem Arbeitsmar­kt. Der entwickele sich zunehmend zum Flaschenha­ls, und damit womöglich zu einer Wachstumsb­remse. „Die Stimmung in den Unternehme­n ist hervorrage­nd. Und es entstehen weiter viele neue Stellen. Aber es wird immer schwierige­r, eine freie Stelle mit der richtigen Arbeitskra­ft zu besetzen. Deswegen teilt er auch die Auffassung seiner Kollegen nicht, dass im Jahr 2018 die Arbeitslos­igkeit ähnlich stark wie 2017 sinken werde. Er geht eher von einer Stagnation auf dem erwarteten 2017er-Niveau von 2,52 Millionen Erwerbslos­en aus.

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FOTO: DPA Das Logo der Agentur für Arbeit in Biberach. Wegen des hohen Überschuss­es sollen die Beiträge zur Arbeitslos­enversiche­rung sinken.

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