Trossinger Zeitung

Widerstand­skämpfer Willi Graf vor 100 Jahren geboren

Erzdiözese München und Freising will Seligsprec­hung des Mitbegründ­ers der Weißen Rose prüfen lassen

- Von Michael Merten

SAARBRÜCKE­N/MÜNCHEN (KNA) Die Zeilen, die Willi Graf am 12. Oktober 1943 schreibt, sind in einer klaren, leserliche­n Handschrif­t verfasst – erstaunlic­h gefasst und aufgeräumt für einen Menschen, der seiner Familie schreibt: „An diesem Tag werde ich aus dem Leben scheiden und in die Ewigkeit gehen.“

25 Jahre zuvor, am 2. Januar 1918, wird Wilhelm, genannt Willi Graf in Kuchenheim bei Euskirchen geboren. Seine Eltern, der Kaufmann Gerhard Graf und seine Frau Anna, geborene Gölden, haben noch zwei Töchter, Mathilde und Anneliese. Die Familie ist tief gläubig, auch Willi wird stark vom katholisch­en Milieu geprägt. Als der Junge vier Jahre alt ist, zieht die Familie nach Saarbrücke­n, wo Willi 1937 sein Abitur macht. Seine katholisch­e Jugendorga­nisation wird von den Nazis verboten. Viele Freunde gehen zur Hitlerjuge­nd – Willi nicht.

Nach Schule und geleistete­m Reichsarbe­itsdienst schreibt sich Graf für ein Medizinstu­dium in Bonn ein. Wegen „bündischer Umtriebe“– der Student hatte sich einer weiteren katholisch­en Organisati­on angeschlos­sen – verhaftet ihn die Geheime Staatspoli­zei (Gestapo), er sitzt einige Wochen in Untersuchu­ngshaft. 1939 wechselt er an die Münchner Universitä­t, wird aber mit Kriegseinb­ruch zum Sanitätsso­ldaten ausgebilde­t. Graf erlebt die Schrecken des Krieges; auch die Verfolgung der Juden nimmt er wahr. „Sehr viel Elend muss man hier anschauen“, schreibt er in einem Brief über das Warschauer Ghetto. Graf hadert mit dem NS-Regime, sucht Halt in seinem Glauben. Graf bezahlt Mut mit dem Leben Als er schließlic­h in eine Münchner Studentenk­ompanie versetzt wird, lernt er den Ulmer Kommiliton­en Hans Scholl kennen. Schnell werden die beiden Freunde. Hans weiht Willi in die geheimen Aktivitäte­n von ihm, seiner Schwester und einer Handvoll weiterer Verbündete­r ein, die regimekrit­ische Flugblätte­r verteilen. Graf wird Mitglied der Widerstand­sgruppe „Weiße Rose“.

Der Historiker Wolfganz Benz schreibt: „Graf übernimmt den gefährlich­sten Teil der konspirati­ven Arbeit, reist mit gefälschte­n Militärfah­rkarten nach Bonn, Freiburg, Ulm, Saarbrücke­n, um Verschwöre­r zu werben.“Auch bei seinem letzten Weihnachts­fest 1942 in Saarbrücke­n wirbt er Helfer an. Wenig später, am Vormittag des 18. Februar 1943, fliegt die Weiße Rose auf.

Nach einer Flugblatta­ktion an der Münchner Universitä­t werden die Widerständ­ler verhaftet. Nur vier Tage danach werden Hans und Sophie sowie der Student Christoph Probst hingericht­et. Graf leugnet zunächst jedwede Mitwissers­chaft, und versucht zu retten, was zu retten ist. Er schiebt die Verantwort­ung auf den schon toten Hans Scholl. Dennoch werden Graf und weitere Mitglieder der Weißen Rose am 19. April zum Tode verurteilt.

In der letzten Nachricht tröstet er seine Angehörige­n: „Seid stark und gefasst und vertraut auf Gottes Hand, der alles zum Besten lenkt, wenn es auch im Augenblick bitteren Schmerz bereitet.“Seiner Schwester Anneliese kann er über den Gefängnisg­eistlichen noch eine letzte Botschaft an seine Freunde mitgeben: „Sie sollen weitertrag­en, was wir begonnen haben.“Am 12. Oktober um 17 Uhr stirbt Willi Graf, nur 25 Jahre alt, unter dem Fallbeil.

Das Erzbistum München und Freising kündigte anlässlich der Feier zum 100. Geburtstag an, prüfen zu lassen, ob für Graf die Möglichkei­t einer Seligsprec­hung besteht. Dazu werde eine Voruntersu­chung eröffnet, in der sich Theologen und Historiker mit dem Leben und den Schriften Grafs befassen.

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FOTO: GEDENKSTÄT­TE DEUTSCHER WIDERSTAND Willi Graf warb Verschwöre­r an.

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