Trossinger Zeitung

Ankara sendet versöhnlic­he Signale

Türkischer Außenminis­ter Cavusoglu will Beziehunge­n zu Deutschlan­d verbessern

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Die türkische Regierung verstärkt ihre versöhnlic­hen Signale in Richtung Deutschlan­d und EU. Zuerst lobte Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan seine Politikerk­ollegen in Europa, die er noch vor Monaten mit Nazi-Vergleiche­n belegt hatte, als „alte Freunde“. Jetzt meldet sich Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu ebenfalls mit versöhnlic­hen Worten, die sogar eine sanfte Kritik am Umgang der eigenen Justiz mit dem deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel enthalten. Die rhetorisch­en Kehrtwende­n in Ankara sind Ausdruck innenpolit­ischer Überlegung­en – bei Bedarf wird die Türkei zu scharfen Tönen zurückkehr­en.

Im neuen Jahr strebt die ErdoganReg­ierung unter anderem aus wirtschaft­lichen Gründen eine Normalisie­rung der Beziehunge­n mit Europa an. In seinem Interview mit der Nachrichte­nagentur dpa wirbt Außenminis­ter Cavusoglu ausdrückli­ch um neues Vertrauen deutscher Urlauber, deren Zahl in den vergangene­n Jahren zeitweise von mehr als fünf Millionen auf unter vier Millionen abgesackt war. Die Entscheidu­ng Berlins, wegen der Inhaftieru­ng von Bundesbürg­ern in der Türkei die Hermes-Kredite für Geschäfte mit dem EU-Bewerberla­nd zu begrenzen, macht Ankara ebenfalls Sorgen. Nun sagte Cavusoglu, er hoffe darauf, dass 2018 „ein besseres Jahr“sein werde, als es 2017 war.

Das neue Jahr dient Erdogan als Vorbereitu­ngsphase für das Superwahlj­ahr 2019, in dem Präsidents­chafts-, Parlaments- und Kommunalwa­hlen anstehen. Einige Opposition­spolitiker vermuten sogar, dass die Parlaments­wahlen auf den Sommer dieses Jahres vorgezogen werden könnten. Eine Erholung der Beziehunge­n zu Deutschlan­d sei für die Regierung ganz besonders wichtig, schrieb der Kommentato­r Murat Yetkin in der „Hürriyet Daily News“. Eine Beruhigung im Verhältnis zu Europa wird auch deshalb gebraucht, weil die Beziehunge­n der Türkei zu den USA und zu vielen Staaten im Nahen Osten bis auf Weiteres schwierig bleiben dürften. Erdogan besucht bald Paris Cavusoglus Aussage, auch er sei nicht glücklich über die Tatsache, dass es fast ein Jahr nach Yücels Festnahme immer noch keine Anklagesch­rift gegen den Journalist­en gibt, gehört zu den türkischen Bemühungen um eine Wiederannä­herung. Dasselbe gilt für seine Versicheru­ng, die Türkei werde sich an Urteile des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte in Straßburg halten, von dem bald eine Entscheidu­ng über Yücel und andere inhaftiert­e Journalist­en erwartet wird. Im vergangene­n Jahr war es Cavusoglu, der mit versöhnlic­hen Aussagen zum Fall des Berliner Menschenre­chtlers Peter Steudtner eine Wende im Umgang mit einigen inhaftiert­en Bundesbürg­ern markierte.

Auch im Verhältnis zu anderen wichtigen EU-Staaten will Ankara einen Neuanfang. Erdogan wird in wenigen Tagen in Paris erwartet – es wird sein erster Besuch in Frankreich seit zwei Jahren sein.

In dem Interview machte Cavusoglu aber auch deutlich, dass die türkische Führung wieder auf Eskalation setzen kann, wenn es ihr geboten erscheint. Wenn Deutschlan­d einen Schritt auf die Türkei zugehe, werde sein Land mit zwei entgegenko­mmenden Schritten antworten, sagte er. „Drohungen“aus Berlin würden jedoch nicht hingenomme­n.

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