Die Wild Wings als Vorbild
Schwenningen imponiert mit Laufstärke, Kompaktheit und vielen deutschen Spielern
VILLINGEN-SCHWENNINGEN (dpa) Ein jahrelang abgeschlagener DELAußenseiter hat sich zum ernsthaften Play-off-Anwärter entwickelt. Die Schwenninger Wild Wings waren seit ihrer Rückkehr in die deutsche Eliteliga zweimal Letzter, einmal Vor- und einmal Drittletzter. In dieser Saison ist alles anders. Vor der ersten Aufgabe im neuen Jahr heute bei den Eisbären Berlin (19.30 Uhr) steht der Eishockey-Traditionsverein als Fünfter auf einem direkten Viertelfinalplatz. „Die Geduld hat sich ausgezahlt“, sagt Manager Jürgen Rumrich. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis die jungen Spieler den nächsten Schritt machen.“
In der Liga gilt der Schwenninger Weg mit vielen deutschen Akteuren mittlerweile als Vorbild. Das Vertrauen in Profis wie Torhüter Dustin Strahlmeier, der mit 25 Jahren erstmals die Position der Nummer 1 in der DEL einnimmt, macht sich bezahlt. „Die Zahlen sprechen für sich. Er ist einer der absolut besten Liga-Goalies“, schwärmt Rumrich angesichts einer hervoragenden Fangquote des Gelsenkircheners von mehr als 93 Prozent, die ligaweit Platz drei bedeutet.
Ohne Geld geht es allerdings nicht. Um rund 500 000 Euro hat der Verein den Etat in den letzten beiden Jahren insgesamt erhöht. Dadurch konnten ausländische Topspieler wie Will Acton oder Daniel Fleury an den kleinen DEL-Standort gelotst werden. „Wir haben das Geld auch in die Infrastruktur, zum Beispiel einen Torwartund einen Athletiktrainer investiert. Dies macht sich ebenfalls bemerkbar“, erläutert Rumrich.
2013 hatte der Rückzug der Hannover Scorpions den Schwenningern zu einer neuen Chance in der DEL verholfen. Zehn Jahre nach dem finanziellen Aus in der höchsten deutschen Eishockey-Klasse kaufte der Club die Lizenz der Niedersachsen. Gründe für das starke Abschneiden in dieser Saison sieht Coach Pat Cortina, ehemaliger Trainer der deutschen Nationalmannschaft, vor allem im Teamgefüge: „Wir haben bei den neuen Spielern viel Wert auf die läuferische Komponente gelegt. Außerdem haben wir mehr Tiefe im Kader, dadurch ist der Konkurrenzkampf deutlich höher und keiner hat seinen Platz sicher.“
Seine Eishockey-Philosophie hat Cortina auch in Schwenningen nicht verändert. „Wir wollen eine homogene und kompakte Einheit sein.“Sind die Schwenninger auch: Nur die drei Topteams Nürnberg, München und Berlin haben sich bislang weniger Gegentore eingefangen.
Vieles spricht momentan dafür, dass die Fans in Schwenningen ab März erstmals seit 22 Jahren wieder DEL-Play-offs zu sehen bekommen. Sieben Punkte beträgt der Vorsprung auf Platz elf, der nicht mehr für die erste Play-off-Runde ausreicht. 14 Spiele stehen bis Hauptrundenende noch an. „Wir müssen auf dem Boden bleiben“, warnt Rumrich. „Die Liga ist eng, das haben die letzten Spiele gezeigt.“Da gab es einen Sieg gegen Meister München, aber auch Pleiten gegen die Außenseiter Augsburg und am Samstag gegen Straubing.
Sollten am Ende die Play-offs erreicht werden, wäre dies eine Bestätigung der Vereinsphilosophie. „Wir haben bewusst Spieler aus der Region geholt, um eine höhere Identifikation zu erreichen“, sagt Rumrich. Das scheint zu klappen: Die letzten beiden Heimspiele im Kalenderjahr 2017 waren jeweils ausverkauft.
Trotz einiger Ausfälle stehen auch die Chancen auf einen Auswärtscoup in Berlin nicht schlecht. „Wir gehen das Spiel so an wie die gesamte Saison“, sagt Rumrich. „Wir konzentrieren uns einfach auf unsere Leistung.“