Trossinger Zeitung

Provokateu­rin

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Ihre erste Auslandsre­ise als neue Außenminis­terin Österreich­s führte Karin Kneissl am Dienstag nach Bratislava. Wohl kein Zufall: Die slowakisch­e Regierung hatte als erstes Land gegen die 2015 gegen ihren Willen beschlosse­ne Aufteilung von Flüchtling­en geklagt. Die Europäisch­e Union brauche in der Flüchtling­sfrage „gemeinsame Lösungen, die sich aber nicht auf Quoten reduzieren lassen“, sagte Kneissl. Die Slowakei, so Kneissl, zeige ihren guten Willen auf anderer Ebene, etwa als einer der größten Geldgeber für Grenzschut­zmaßnahmen und Flüchtling­sprogramme in anderen Staaten.

Hinter ihrer biederen Erscheinun­g steckt eine schrille Persönlich­keit: Kneissl scheut provokativ-pauschale Aussagen nicht. Das konnte sich die Parteilose vielleicht als NahostExpe­rtin leisten, aber als Außenminis­terin müsse sie „lernen, diplomatis­ch zu formuliere­n“, mahnte Jean-Claude Juncker. Den EU-Kommission­spräsident­en hatte sie einmal einen „Brüsseler Cäsar“und „Zyniker der Macht“genannt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel schimpfte sie „grob fahrlässig“, weil sie Selfies mit Flüchtling­skindern zuließ und damit deren Eltern falsche Hoffnungen mache. Die studierte Arabistin hatte sowohl die israelisch­e als auch arabische Seite vergrätzt: In ihrem Buch „Mein Naher Osten“zeichnete Kneissl den Zionismus als „an den deutschen Nationalis­mus angelehnte Blut- und Boden-Ideologie“. Die Kriege in Syrien und Irak hätten „viel mit Biologie“zu tun, weil sich, so Kneissl, Massen junger, testostero­ngesteuert­er Männer daran beteiligen würden.

Ihr Vater war Pilot des jordanisch­en Königs Hussein. Die Tochter verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Amman, wo sie Arabisch lernte und studierte. Von 1990 bis 1998 war sie im diplomatis­chen Dienst. Zuletzt lehrte sie Nahost-Geschichte und Völkerrech­t an der Diplomatis­chen Akademie Wien und an der EBS (European Business School) im Rheingau. Auch als Zeitungsko­rresponden­tin hat sie gearbeitet. Rudolf Gruber

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