Christliche Konfessionen rücken enger zusammen
Viel Anerkennung dank Reformationsjubiläum – Keine verstärkten Kircheneintritte feststellbar
TUTTLINGEN - Für die evangelischen Christen ist 2017 ein besonderes Jahr gewesen – haben sie doch das Jubiläum „500 Jahre Reformation“gefeiert. Unsere Zeitung hat bei evangelischen Geistlichen nachgefragt, wie sie das Reformationsjubiläum erlebt haben.
Für Pfarrer Matthias Kohler hat das Reformationsjubiläum vor allem aus drei Aspekten bestanden. Der erste war die historische Perspektive: „Wir sind in Vorträgen und vielen Veranstaltungen der Frage nachgegangen, wie wir das wurden, was wir sind.“Die Veranstaltungen seien samt und sonders gut besucht gewesen. Im Herbst erschien das Buch „Das evangelische Tuttlingen“.
Das Jubiläum habe aber nicht nur in historischer Hinsicht stattgefunden, sondern auch in kulturell/musikalischer. So habe die Reformationsmusik eine große Rolle gespielt – beispielsweise Luther als Lieddichter. Auch die evangelischen Komponisten wurden beleuchtet. „Vieles, was wir heute haben, hat seine Wurzeln in der Reformation.“
Der dritte Aspekt war das Zusammenspiel mit den Katholiken. „Wir haben gemeinsam mit den Katholiken gefeiert und nicht gegen sie“, sagt Pfarrer Kohler. Am Reformationstag haben der evangelische und katholische Kirchenchor zusammen gesungen. Der katholische Dekan Matthias Koschar habe ein wichtiges Grußwort gesprochen.
Regelrechte Einrittswellen in die evangelischlutherische Kirche habe der Pfarrer aufgrund der Veranstaltungen zwar nicht erlebt, aber ein großes Interesse in der Bevölkerung war spürbar – in Tuttlingen und darüber hinaus. Es habe zahlreiche positive Rückmeldungen gegeben, das Jubiläum habe für Gesprächsstoff gesorgt. Dieses Jahr stehen aber andere Themen im Mittelpunkt: etwa Migration und Einwanderung, das Jahr 1968 oder die Reichspogromnacht 1938.
Auch Dekan Sebastian Berghaus hat sehr positive Erinnerungen an das Jubiläum. Effekte auf die Mitgliederzahlen seien jedoch nicht feststellbar, da die entsprechenden Statistiken noch nicht fertig seien. Ihm sei aber ein Fall von jemandem bekannt, der aus der Kirche ausgetreten war und im Laufe des Jubiläums wieder eingetreten sei. „Die Wahrnehmung war überaus positiv. Die Veranstaltungen wurden hervorragend wahrgenommen.“Auch Berghaus betont das gute Miteinander mit den Katholiken: „Wir sind erheblich enger zusammengerückt.“Im Landkreis gebe es zahlreiche Angebote, die von beiden Konfessionen gemeinsam betrieben werden, etwa die psychologische Beratungsstelle oder die Caritas-/Diakoniestelle. Selbstverständnis als Volkskirche „Wir werden uns weiter verändern müssen“, laute eine Zwischenbilanz des Reformationsjubiläums, sagt Berghaus. „Wir müssen ökumenischer werden.“Vieles könne man aus der Reformation lernen. Die evangelische und die katholische Kirche dürften nicht aufhören, sich als Volkskirchen zu verstehen: „Wir müssen für jeden da sein, der uns braucht.“Der Mitgliederzuwachs dürfe nicht Hauptmission sein, sondern einen substanziellen Beitrag für den Frieden der Vielen und Verschiedenen zu leisten.
Pfarrer Jens Junginger gefielen vor allem die Veranstaltungen zum Jahresbeginn 2017, unter anderem die Erzählcafés, bei denen Menschen von ihrer evangelischen Prägung berichteten. „Der Höhepunkt war der Reformation s tag mit hoher Ve ran st altungs dichte und starker Frequentierung.“Es gabe in großes Interesse an der Stadtkirche, so etwa beim zweitägigen Stadtkirchenfest. Es gab verschiedene Kooperationen, das habe zu Aufmerksamkeit in der Bevölkerung geführt. „Wir haben den deutlichen Auftrag, weiter so dran zu bleiben“, sagt der Pfarrer.
Der Begriff Reformation bedeute, reformoffen zu sein und zu bleiben. Die Konsequenz aus dem Reformationse rinne rungs jahr heiße„Re formation geht weiter “. Unter diesem Stichwort steht das neue Gesamt jahres programm. Was dieBi belange he, so gebe es einen Auftrag zur Glaubens-Bildung: „Die Menschen haben Fragen und wollen dazu etwas erfahren. Die Fragen in der Welt werden mit Inhalten in der Bibel in Zusammenhang gestellt.“
Auch Junginger habe keine verstärkten Kircheneintritte aufgrund desRe format ions jubiläums festgestellt–dies sei höchstens vereinzelt der Fall. „Aber wir haben einen hohen Zuspruch erfahren.“Die Menschen haben gesagt: „Das war richtig schön. Das hat gut getan.“
„Die Veranstaltungen wurden hervorragend wahrgenommen“, sagt Dekan Sebastian Berghaus.