Die Stückguthalle als Marktplatz?
Trossinger haben ihr Herz für die Stückguthalle entdeckt und kämpfen für ihren Erhalt „Wenn nötig, gründen wir eine Interessengemeinschaft“Helga Hauser, Stadt- und Museumsführerin
Plötzlich tauchen Ideen für die Nutzung der Halle auf.
TROSSINGEN - Jahrzehntelang interessierte sich niemand für die historische Stückguthalle am Trossinger Bahnhof. Doch jetzt, wo dem Gebäude der Abriss droht, regt sich Widerstand. Die Beispiele des HohnerAreals und des Efka-Turms zeigen, dass in Trossingen historische Bauten nicht immer gute Zukunftsaussichten haben. Unsere Zeitung hat sich mit Trossingern unterhalten, die Nutzungsideen für die Halle haben.
Die Stückguthalle, wie die Lagerhalle ganz korrekt heißt, erinnert an Trossingens glorreiche Vergangenheit als Harmonika-Exportmacht. Derzeit wird die Halle von den Stadtwerken genutzt, da diese aber im Frühjahr in ihren Neubau umziehen werden, gibt es von Seiten der Stadt keine Verwendung mehr für das Gebäude. Bürgermeister Clemens Maier hat bereits angekündigt, dass die Stadt im Gespräch mit dem Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck stünde, um die Halle dort vielleicht hin umsiedeln zu können (wir haben mehrfach berichtet). Kritiker werfen ihm nun mangelnde Fantasie vor und hoffen, das historische Gebäude durch eine neue Nutzung retten zu können.
Stefan Gsellinger, Trossinger Bauingenieur und aktiv in der Interessengemeinschaft Altes Rat- und Schulhaus ärgert sich mächtig: „Ich habe mich gewundert, dass das Thema im stillen Kämmerlein entschieden worden ist.“Die Entscheidung, die Stückguthalle entweder abzureißen oder nach Neuhausen ob Eck zu bringen, sei ein Zeichen für einen „Mangel an Fantasie“von Seiten der Stadtverwaltung. „Auch beim Hohner-Areal haben manche keine Fantasie gehabt, was daraus werden kann und heute sind alle stolz darauf“, sagt er. Noch heute bedauert er, dass dem Efka-Turm ein anderes Schicksal beschieden war. Gemeinsam mit anderen Trossingern hatte er sich vor dem Neubau des großen Rewe-Markts dafür stark gemacht, den Turm zu sanieren und Gewerbeflächen darin unterzubringen. „Damals hat die Zeit einfach gefehlt. Hätten wir ein Jahr mehr gehabt, dann hätte das geklappt“, ist er sich sicher. Eine ähnliche Entwicklung fürchtet er nun in Sachen Stückguthalle. „Es heißt immer, uns fehlen Gewerbeflächen. Hier könnte man mit Raumzellen ohne großen Aufwand und mit geringen Kosten Flächen für die Kreativwirtschaft schaffen. Eine gastronomische Ecke wäre auch dort gut aufgehoben, schließlich steht die Halle an einem Verkehrsknotenpunkt.“
Die Zukunft der Stückguthalle beschäftigt auch Helga Hauser, Stadtund Museumsführerin: „Das regt mich unheimlich auf, wenn ich daran denke, dass die schöne alte Halle abgerissen werden könnte“, stellt sie klar. „Ich bin total dagegen. Sie muss auf jeden Fall stehen gelassen werden.“
Für die Ur-Trossingerin stellt die historische Halle ein Stück Jugend dar. „Und auch fürs Stadtbild ist sie eine Bereicherung.“Helga Hauser wünscht sich, dass die Stadt kreativ wird und eine andere Nutzung der Stückguthalle findet. Denn nach Neuhausen ob Eck gehöre das Gebäude nicht, sagt sie, obwohl sie das dortige Museum gerne und oft besuche. „Wenn nötig, gründen wir eine Interessengemeinschaft, um die Halle zu retten“, sagt die Trossingerin.
Auch Martin Häffner, Leiter des Harmonikamuseums, kann nicht verstehen, wieso die Stückguthalle nicht am jetzigen Standort erhalten werden soll. „Die Halle verweist auf die besondere Geschichte Trossingens: Das Industriedorf, das eine große Güterhalle benötigt, um seine weltweite Harmonikaindustrie betreiben zu können“, erläutert er. Die Halle sei ein Baudokument und ein Baudenkmal, das in Trossingen bleiben müsse, „ein Stück Trossinger Identität“.
Nach Neuhausen ob Eck passt sie Häffners Meinung nach eigentlich nicht. „Ich verstehe nicht, warum man historische Gebäude so oft als Hindernis sieht - das Hohner-Areal zeigt, was man aus alten Gebäuden machen kann“, findet der Historiker. „Komplette Ignoranz“Und auch Volker Neipp, Leiter des Auberlehauses und Kenner der Stadtgeschichte, ist für den Erhalt der Halle. „Es ist mir unverständlich, wie eine Stadtverwaltung ohne vorherige Gespräche zu solch einem Entschluss kommen kann. Dies zeugt zum einen von einer kompletten Ignoranz der Lokalgeschichte und zum anderen von einer unglaublichen Ideenlosigkeit.“Neipp bezeichnet sich als „Verfechter einer Markthallen-Idee“. Der Trossinger Wochenmarkt läge schlechtest möglich am Donnerstagvormittag. „Wer kann denn da einkaufen? Nachhaltige Landwirtschaft, Einkauf beim lokalen Erzeuger, Regionalität – alles Schlagworte, die mehr und mehr auch das Einkaufsverhalten prägen.. Die herausragende Architektur der Güterhalle in Verbindung mit einer Markthalle, ist bestechend gut. Nun muss dringend zielorientiert über die Güterhalle diskutiert werden. Ziel kann nur die Erhaltung am originalen Ort sein. Alles andere ist ebenso absurd wie lächerlich“, so Neipp.
Bürgermeister Clemens Maier geht das Thema pragmatisch an: „Wenn jemand kommt, der ein solches Konzept umsetzen kann und auch die Finanzierung dafür hat, dann freut uns das.“Alle bisherigen potentiellen Investoren hätten kein Interesse am Erhalt der Halle gehabt. Die Stadtwerke seien auf den Verkauf des Grundstücks angewiesen. „Der Erlös ist Teil der Finanzierung des Entro-Neubaus“, so Maier.