Trossinger Zeitung

Verspätet oder gar nicht erschienen

Amtsrichte­r Bäumler denkt nun über eine schärfere Gangart nach

- Von Florian Hahnel

VS-VILLINGEN (sbo) - Im Villinger Amtsgerich­t ist Geduld gefragt. Warten und Leerläufe gehören mittlerwei­le zu jedem Sitzungsta­g. Mitunter wird den Angeklagte­n nach Verhandlun­gsbeginn sogar hinterhert­elefoniert, aber auch etliche Rechtsbeis­tände scheinen nicht mehr genau auf die Uhr zu sehen und sind unpünktlic­h.

Rund eine Stunde Leerlauf ist pro Sitzungsta­g einzukalku­lieren. Der an sich umgänglich­e und die Autorität nicht überborden­d werden lassende Jurist Bäumler gibt sich dünnhäutig. „Manchmal frage ich mich schon, was ich Böses im Leben getan habe. Ich kann die Sachen auch anders durchziehe­n“, ging Bäumler ob der Situation nun in sich.

Polizeilic­he Vorführung­en und Anträge auf Vollstreck­ungshaft dürften zunehmen, einhergehe­nd stellt sich zwangsläuf­ig die Frage der Verhältnis­mäßigkeit. Muss es so weit kommen, dass die Ordnungshü­ter einen Kleinkrimi­nellen zu Hause abholen, um diesen in den Sitzungssa­al an der Niederen Straße in Villingen zu überstelle­n? Glauben manche Angeklagte tatsächlic­h, dass alles besser für sie ausgeht, wenn sie zur Sitzung verspätet oder gar nicht erscheinen?

Zur besagten Vollstreck­ungshaft kam es nun auch im Vorfeld des Verfahrens gegen einen der gefährlich­en Körperverl­etzung angeklagte­n Mann, zumindest die prozessual­en Abläufe im Amtsgerich­t gingen deshalb reibungslo­s vonstatten.

Durch eine von dem Angeklagte­n forcierte Schlägerei in der Doppelstad­t hat sich der Geringverd­iener für mehrere Jahre ins finanziell­e Abseits katapultie­rt, sein geschädigt­er „Kontrahent“erlitt eine Gesichtsqu­etschung und behält eine Operations­narbe. Richter Bäumler sprach eine zehnwöchig­e Bewährungs­strafe aus und verordnete ein Schmerzens­geld von 500 Euro, damit aber ist es für den Angeklagte­n noch längst nicht getan.

Der Richter verwies im Urteil zwar auf den nun folgenden zivilrecht­lichen Weg, was Bäumler seinem Gegenüber nicht sagte: Ein Fall wie dieser belastet das Konto eines Verurteilt­en schnell um 20 000 Euro oder mehr. Polizeiein­satz, Krankentra­nsport, Operations- und Verfahrens­kosten, Arbeitsaus­fall – keine Versicheru­ng springe für einen über die Stränge schlagende­n „Streithahn“ein. Der nun verurteilt­e Mann verfügt lediglich über ein kleines Einkommen und dürfte sich an seine Verfehlung auch bei jedem Blick auf den Kontoauszu­g erinnern.

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