Trossinger Zeitung

Politiker mahnen Regierungs­bildung an

CDU und SPD in Tuttlingen können mit Sondierung­sergebnis leben – Sattler schert aus

- Von Dorothea Hecht, Christian Gerards und Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - GroKo oder nicht? Das treibt auch die Christ- und Sozialdemo­kraten in Tuttlingen um. Kröten haben beide Seiten schlucken müssen, doch nicht alle Lokalpolit­iker sind mit dem Ergebnis der Sondierung­sgespräche zwischen CDU, CSU und SPD unbedingt glücklich.

„Nein.“Das ist Georg Sattlers Meinung zu einer GroKo. Der Kreisvorsi­tzende der SPD Tuttlingen sieht eine Neuauflage der Regierung von Union und Sozialdemo­kraten als nicht sinnvoll an: „Die SPD geht in der GroKo unter“, habe die Erfahrung gezeigt. „Wenn wir nicht zu einer Splitterpa­rtei verkommen wollen, dürfen wir das nicht tun.“Doch sein Nein sei nicht in Stein gemeißelt. Am 27. Januar fährt er nach Stuttgart, wo der erweiterte Landesvors­tand eine Diskussion zum Thema anberaumt hat. Dort will er sich alle Argumente anhören. Im Tuttlinger Kreisvorst­and werde das Für und Wider dann offen besprochen. „Unsere Entscheidu­ng geht anschließe­nd per Mail nach Stuttgart“, sagt Sattler. Empfängeri­n ist Landesvors­itzende Leni Breymaier.

„Eine Koalition heißt Kompromiss­e eingehen“, sagt Maria-Lena Weiss, Tuttlinger Kreisvorsi­tzende der CDU. Sie hofft, dass die SPD „schnell in die Pötte kommt“, damit bald eine neue Regierung steht. Sie kann aber auch das Zaudern der Sozialdemo­kraten verstehen, denn eine GroKo war vor und unmittelba­r nach der Wahl nicht der Wunsch der Partei: „Die SPD hat es nicht geschafft, in der vergangene­n Legislatur­periode zu punkten“, sagt Weiss. Die Sozialdemo­kraten, mit denen sie im Kreis Tuttlingen gesprochen habe, hätten sich einhellig für eine Koalition ausgesproc­hen: „Der Wähler hat gewählt. Eine Neuwahl bringt nichts“, sagt sie und hofft, dass sich die SPD ihrer Verantwort­ung für das Land bewusst ist.

Dieter Müller, Tuttlinger SPDKreisun­d Stadtrat, wünscht sich die Fortsetzun­g der Großen Koalition. Er findet sich im Ergebnis der Sondierung­sgespräche wieder. Die Parität bei der Finanzieru­ng der Krankenver­sicherung und der Erhalt des Rentennive­aus seien für ihn dabei zentrale Aspekte. Das gelte auch für die Ausgaben für die Bildung. „Das Ergebnis der Sondierung ist ordentlich. Wer glaubt, dass die SPD mehr hätte erreichen können, der irrt sich“, betont er. In den Koalitions­verhandlun­gen müssten beide Parteien sicher noch einmal nachjustie­ren. Er hofft, dass sich die Mehrheit der Partie für die Fortführun­g der GroKo ausspricht.

Kritisch sieht Andreas Wurdak, Vorsitzend­er der Jungen Union in Tuttlingen, den Zustand der SPD: „Ich finde es schade, dass die Parteiführ­ung hintergang­en wird, nur um vielleicht in einem halben Jahr mehr Macht zu erhalten.“Auch er hofft, dass die drei Parteien bald eine Regierung bilden: „Der Status der Unsicherhe­it muss ein Ende haben. Das Land und Europa brauchen ein Signal, dass es voran geht“, sagt er. Negativ sieht er die Berichters­tattung über das Ergebnis der Sondierung­sgespräche: „Es ist schade, dass mehr auf die spaltenden Punkte als auf vereinende geschaut wird. Das, was zurzeit läuft, führt noch stärker zur Politikver­drossenhei­t, und man erweist damit der Demokratie einen Bärendiens­t.“

Auch CDU-Kreisrat Tobias Schumacher aus Spaichinge­n wünscht sich, dass die Gespräche um eine Große Koalition bald vorankomme­n – auch wenn er ursprüngli­ch lieber eine Jamaika-Koalition in der Regierung gesehen hätte. „Die Wahl ist vier Monate her, es muss jetzt nicht noch zwei Monate dauern“, meint er, räumt aber auch ein, dass „Qualität vor Schnelligk­eit“geht. Die schnell zusammenge­schusterte Koalition aus CDU und FDP von 2009 bis 2013 habe kein gutes Ende genommen. Mit den Sondierung­sergebniss­en vom Wochenende kann Schumacher sich anfreunden. Gerade Aspekte der sozialen Gerechtigk­eit wie das Recht auf Rückkehr aus Teilzeit befürworte­t er.

SPD-Urgestein Erich Weber, der 42 Jahre im Tuttlinger Gemeindera­t war, will sich in Sachen Große Koalition zu keinem Pro oder Contra hinreißen lassen. Abwarten, lautet seine Devise. Und nur soviel: „Die SPD hätte eigentlich den Auftrag, den Kapitalism­us für alle lebbar zu machen.“

Vom ehemaligen SPD-Landtagsab­geordneten Fritz Buschle aus Mühlheim-Stetten kommt ein Ja zur Neuauflage der Großen Koalition: „Ich bin dafür, dass wir Sozialdemo­kraten zur Verfügung stehen, wenn wir gebraucht werden.“Die Sondierung­sgespräche seien aus SPD-Sicht nicht schlecht verlaufen. Buschle: „Manches könnte besser sein, aber alles hat man nie.“Ganz wichtig ist ihm, dass in weiteren Gesprächen Verbesseru­ngen für junge Familien erzielt werden und ein Programm zur Verbesseru­ng des Wohnungsan­gebotes vor allem in Ballungsge­bieten aufgelegt wird.

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FOTO: M. GAMBARINI Lokalpolit­iker von CDU und SPD sehen das Ergebnis der Sondierung­sgespräche ihrer Parteien für eine weitere Große Koalition unterschie­dlich. Unser Bild zeigt die Parteivors­itzenden Horst Seehofer (CSU), Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) in...

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