Politiker mahnen Regierungsbildung an
CDU und SPD in Tuttlingen können mit Sondierungsergebnis leben – Sattler schert aus
TUTTLINGEN - GroKo oder nicht? Das treibt auch die Christ- und Sozialdemokraten in Tuttlingen um. Kröten haben beide Seiten schlucken müssen, doch nicht alle Lokalpolitiker sind mit dem Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD unbedingt glücklich.
„Nein.“Das ist Georg Sattlers Meinung zu einer GroKo. Der Kreisvorsitzende der SPD Tuttlingen sieht eine Neuauflage der Regierung von Union und Sozialdemokraten als nicht sinnvoll an: „Die SPD geht in der GroKo unter“, habe die Erfahrung gezeigt. „Wenn wir nicht zu einer Splitterpartei verkommen wollen, dürfen wir das nicht tun.“Doch sein Nein sei nicht in Stein gemeißelt. Am 27. Januar fährt er nach Stuttgart, wo der erweiterte Landesvorstand eine Diskussion zum Thema anberaumt hat. Dort will er sich alle Argumente anhören. Im Tuttlinger Kreisvorstand werde das Für und Wider dann offen besprochen. „Unsere Entscheidung geht anschließend per Mail nach Stuttgart“, sagt Sattler. Empfängerin ist Landesvorsitzende Leni Breymaier.
„Eine Koalition heißt Kompromisse eingehen“, sagt Maria-Lena Weiss, Tuttlinger Kreisvorsitzende der CDU. Sie hofft, dass die SPD „schnell in die Pötte kommt“, damit bald eine neue Regierung steht. Sie kann aber auch das Zaudern der Sozialdemokraten verstehen, denn eine GroKo war vor und unmittelbar nach der Wahl nicht der Wunsch der Partei: „Die SPD hat es nicht geschafft, in der vergangenen Legislaturperiode zu punkten“, sagt Weiss. Die Sozialdemokraten, mit denen sie im Kreis Tuttlingen gesprochen habe, hätten sich einhellig für eine Koalition ausgesprochen: „Der Wähler hat gewählt. Eine Neuwahl bringt nichts“, sagt sie und hofft, dass sich die SPD ihrer Verantwortung für das Land bewusst ist.
Dieter Müller, Tuttlinger SPDKreisund Stadtrat, wünscht sich die Fortsetzung der Großen Koalition. Er findet sich im Ergebnis der Sondierungsgespräche wieder. Die Parität bei der Finanzierung der Krankenversicherung und der Erhalt des Rentenniveaus seien für ihn dabei zentrale Aspekte. Das gelte auch für die Ausgaben für die Bildung. „Das Ergebnis der Sondierung ist ordentlich. Wer glaubt, dass die SPD mehr hätte erreichen können, der irrt sich“, betont er. In den Koalitionsverhandlungen müssten beide Parteien sicher noch einmal nachjustieren. Er hofft, dass sich die Mehrheit der Partie für die Fortführung der GroKo ausspricht.
Kritisch sieht Andreas Wurdak, Vorsitzender der Jungen Union in Tuttlingen, den Zustand der SPD: „Ich finde es schade, dass die Parteiführung hintergangen wird, nur um vielleicht in einem halben Jahr mehr Macht zu erhalten.“Auch er hofft, dass die drei Parteien bald eine Regierung bilden: „Der Status der Unsicherheit muss ein Ende haben. Das Land und Europa brauchen ein Signal, dass es voran geht“, sagt er. Negativ sieht er die Berichterstattung über das Ergebnis der Sondierungsgespräche: „Es ist schade, dass mehr auf die spaltenden Punkte als auf vereinende geschaut wird. Das, was zurzeit läuft, führt noch stärker zur Politikverdrossenheit, und man erweist damit der Demokratie einen Bärendienst.“
Auch CDU-Kreisrat Tobias Schumacher aus Spaichingen wünscht sich, dass die Gespräche um eine Große Koalition bald vorankommen – auch wenn er ursprünglich lieber eine Jamaika-Koalition in der Regierung gesehen hätte. „Die Wahl ist vier Monate her, es muss jetzt nicht noch zwei Monate dauern“, meint er, räumt aber auch ein, dass „Qualität vor Schnelligkeit“geht. Die schnell zusammengeschusterte Koalition aus CDU und FDP von 2009 bis 2013 habe kein gutes Ende genommen. Mit den Sondierungsergebnissen vom Wochenende kann Schumacher sich anfreunden. Gerade Aspekte der sozialen Gerechtigkeit wie das Recht auf Rückkehr aus Teilzeit befürwortet er.
SPD-Urgestein Erich Weber, der 42 Jahre im Tuttlinger Gemeinderat war, will sich in Sachen Große Koalition zu keinem Pro oder Contra hinreißen lassen. Abwarten, lautet seine Devise. Und nur soviel: „Die SPD hätte eigentlich den Auftrag, den Kapitalismus für alle lebbar zu machen.“
Vom ehemaligen SPD-Landtagsabgeordneten Fritz Buschle aus Mühlheim-Stetten kommt ein Ja zur Neuauflage der Großen Koalition: „Ich bin dafür, dass wir Sozialdemokraten zur Verfügung stehen, wenn wir gebraucht werden.“Die Sondierungsgespräche seien aus SPD-Sicht nicht schlecht verlaufen. Buschle: „Manches könnte besser sein, aber alles hat man nie.“Ganz wichtig ist ihm, dass in weiteren Gesprächen Verbesserungen für junge Familien erzielt werden und ein Programm zur Verbesserung des Wohnungsangebotes vor allem in Ballungsgebieten aufgelegt wird.