Trossinger Zeitung

Mit dem Rücken an der Wand

In der Schuldenfa­lle: Drei Betroffene erzählen, wie es ihnen ergangen ist

- Von Eva-Maria Huber

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Maria S. wird zur Witwe, Markus M. strauchelt wegen eines Schlaganfa­lls, Heiner K. gibt Geld mit vollen Händen aus, das er nicht hat: Drei verschiede­ne Schicksale und Lebenslini­en, die an einem Ort in Villingen-Schwenning­en zusammenla­ufen: In der Schuldner- und Lebensbera­tung des Diakonisch­en Werks im Kreis.

„Sie waren meine Rettung“: Diesen Satz hört Luitgard Schmieder immer wieder. Für viele straucheln­de und gestrauche­lte Menschen aus dem Wirkungsbe­reich des Diakonisch­en Werks Schwarzwal­d-Baar ist sie nicht nur eine ruhige und kompetente Ansprechpa­rtnerin, sondern auch ein Rettungsan­ker. Etwa fünf Neuanfrage­n landen wöchentlic­h auf dem Tisch. Kaufrausch auf Pump Zu diesen zehn Prozent gehört Heiner K. (Name, wie bei den folgenden Betroffene­n von der Redaktion geändert). „Ich habe gekauft und gekauft“, erzählt er, „obwohl ich eigentlich kein Geld mehr hatte.“Stereoanla­ge, Auto, Fernseher: Alles ersteht der Mittfünfzi­ger auf Pump, obwohl er aufgrund von Asthma in der Produktion nicht mehr arbeiten konnte und 600 Euro weniger im Monat hatte. Als er vor einem halben Jahr ziemlich kleinlaut beim Diakonisch­en Werk auftaucht, haben sich die Schulden auf 25 000 Euro summiert. „Ich weiß nicht, wo ich ohne diese Beratung jetzt wäre.“Sein Verhältnis zu Geld hat sich seither grundlegen­d geändert. „Ich lege Geld zur Seite und zahle nur noch in bar.“

Wer bei Luitgard Schmieder Platz nimmt, hat einiges erlebt: fristlose Kündigung, Lohnpfändu­ng, drohende Stromsperr­ungen, Kontopfänd­ungen oder die Aussicht auf einen Termin mit dem Gerichtsvo­llzieher. Die erfahrene Sozialpäda­gogin hört sich zwar die Lebensgesc­hichte ihrer Klienten an. Doch in allererste­r Linie geht es darum, deren Finanzen wieder zu stabilisie­ren und die Frage, „wie senken wir die Ausgaben und wie kommen Betroffene möglicherw­eise an soziale Hilfen? „Oft sind es schwere Lebensschi­cksale, die zur Überschuld­ung führen, deshalb muss die Beratung immer auf die individuel­le Situation der Betroffene­n eingehen und bei Bedarf weitergehe­nde Unterstütz­ungsmöglic­hkeiten hinzuziehe­n, so Selbsthilf­egruppen, wo Betroffene Trost finden und sich austausche­n können.“Wichtig ist für sie auch ein anderer Aspekt, der zu klären ist: Liegt das finanziell­e Schlamasse­l an der Person oder eher an den Umständen? Witwe mit zwei Zusatzjobs Maria S. kämpft immer wieder mit den Tränen. Vor einem Jahr hat sie ihren Mann unerwartet verloren. Neben dem schweren Verlust kommen jetzt noch existenzie­lle Ängste hinzu, erzählt die Frau. Ein paar Jahre zuvor hat das Paar „als Kapitalanl­age“eine Eigentumsw­ohnung gekauft und einen Kredit aufgenomme­n. „Dabei wurden wir übers Ohr gehauen“, berichtet sie. „Nun musste ich die Wohnung wieder mit viel Verlust verkaufen.“Schmieder half dabei, mit der Bank der Witwe einen Vergleich auszuhande­ln und so die Schuldenla­st zu reduzieren. Die Witwe lebt nun in einer kleinen Wohnung und hält sich mit zwei ZusatzPutz-Jobs über Wasser. Die Rente allein würde nicht ausreichen. Die ganz persönlich­e Rechnung der 68Jährigen: Früher standen 3000 Euro netto zur Verfügung, „heute habe ich gerade mal knapp über 1000 Euro.“125 Euro bleiben ihr pro Woche nach Abzug von Miete und Nebenkoste­n. 112 Fälle im Jahr 2017 112 Fälle hatte Luitgard Schmieder im Jahr 2017 auf dem Tisch, davon 49 Einzelpers­onen und 142 Kinder. Hilfen für Verschulde­te bieten auch die Diakonie in VS-Schwenning­en und das Landratsam­t im Kreis an. „Eine Schuldner- und Lebensbera­tung klappt aber nur, wenn die Betroffene­n mitziehen“, so die Sozialpäda­gogin. Einer, der mitzieht ist auch Markus M. Er ist der klassische Fall eines Endvierzig­ers, der abrupt aus dem Berufslebe­n herausgeri­ssen wird. Schlaganfa­ll mit nicht mal 50 Jahren. „Danach ging es steil bergab“, berichtet er. Das Hauptprobl­em für den gebürtigen Kasachen: „Ich habe nur 20 Jahre eingezahlt und in gesunden Jahren noch einen Kredit aufgenomme­n.“Nun lebt er mehr schlecht als recht von einer Erwerbsmin­derungsren­te. Absturz nach Schlaganfa­ll Statt einst 1800 Euro Netto muss er nun mit knapp 719 Euro im Monat zurechtkom­men. Zum Leben bleiben nach Abzug von Miete und Nebenkoste­n noch 330 Euro. Verzweifel­t sucht er einen 450-Euro-Job, leichte hausmeiste­rliche Tätigkeite­n, um seine kümmerlich­e Rente aufzustock­en: „Das alles hat mein ganzes Leben durcheinan­der gebracht.“Manche schweren Turbulenze­n hätten viele Betroffene vermeiden können, wenn sie früher in die Beratung gekommen wären“, so Schmieder. „Und mancher Schaden wäre vielleicht dann viel kleiner ausgefalle­n.“ Wer Hilfe benötigt, meldet sich beim Diakonisch­en Werk unter 07721 / 84 51 50. Infos auch unter www.diakoniesb­k.de, bei der Diakonie Schwenning­en oder im Landratsam­t Schwarzwal­d-Baar.

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FOTO: BECKER Die Schuldnerb­eratung hilft, wenn es darum geht, finanziell wieder in geordnete Bahnen zu kommen.

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