Rentner besteht auf Führerschein
Nach Unfallflucht legt 85-Jähriger Berufung am Landgericht Rottweil ein
ROTTWEIL - Ein jetzt 85-jähriger Rentner aus Tuttlingen hat am Dienstag im Berufungsverfahren vor dem Landgericht in Rottweil gestanden. Er wollte den Führerscheinentzug, den das Tuttlinger Amtsgericht angeordnet hatte, nicht akzeptieren. Ende 2016 hatte er einem anderen Auto auf der B 14 in Höhe Emmingen-Liptingen einen Seitenspiegel abgefahren und war danach einfach weitergefahren.
„Ich wollte nicht flüchten. Wo sollte ich denn hin?“, sagte der Seniore vor Gericht. Sechs Monate soll er auf seine Fahrerlaubnis verzichten. Das hatte das Amtsgericht am 25. Juli 2017 so verfügt. Außerdem wurde eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Euro verhängt. Zusätzlich muss der Rentner die Kosten des ersten Prozesses tragen.
Der Führerschein, 1971 ausgestellt, wurde nicht eingezogen. Seit dem Unfall ist der Rentner zirka 8000 Kilometer gefahren. Unfallfrei und „ohne Strafzettel“, wie die ganzen Jahre zuvor, betonte sein Tuttlinger Verteidiger Tobias Glaenz. Der Nebel ab Stockach wurde immer dichter Der Vorsitzende Richter Thomas Geiger verzichtete zwar auf drei von vier Zeugen, wollte aber den Zeugen hören, der damals dem Unfallverursacher nachgefahren war und ihn kurz zum Anhalten brachte. Doch der erschien nicht – unentschuldigt. Der Staatsanwalt beantragte die Verhängung eines Ordnungsgelds von 100 Euro, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft für das Ausbleiben.
So erfuhr die 11. Kleine Strafkammer am Dienstag nur die Sicht des 85-Jährigen: Von Bregenz sei er an jenem Abend zurückgefahren, ab Stockach habe Nebel geherrscht, der immer dichter wurde. Eine innere Stimme riet ihm, sich ein Hotelzimmer zu nehmen. „Ich hatte so ein komisches Gefühl“, erinnerte sich der Angeklagte. Doch er fuhr mit seinem Polo weiter. „Vor mir war ein Lastwagen, den wollte ich überholen. Ging nicht wegen des Nebels. Im nächsten Augenblick bin ich gegen den Außenspiegel des Mercedes gekracht.“
„Warum haben Sie denn nicht angehalten?“, wollte der Vorsitzende wissen. „Ich war in Panik, hatte Angst“, lautete die Antwort. Er habe befürchtet, wenn er jetzt mitten auf der Straße anhielte, würde ihm dasselbe passieren wie zwei Jahre zuvor seiner Frau, sagte der Angeklagte. Auto hinter dem Rentner habe geblinkt und gehupt Die 82-Jährige war als Fußgängerin von einem Auto angefahren und tödlich verletzt worden. Und er habe weder eine Haltebucht noch eine abzweigende Straße zum Anhalten gesehen. Dafür war hinter ihm ein Auto, das „geblinkt und gehupt“hat. „War das notwendig?“, fragte der Rentner vorwurfsvoll und berichtete, dass der Fahrer und dessen Frau ihn, nachdem er doch kurz angehalten habe, mit Vorwürfen bedrängt hätten. Auch habe man ihm angeboten, er könne sein Auto in Liptingen abstellen. „Das war mir zu dumm, ich bin dann weitergefahren, heim, in meine Garage.“Dort wollte er gerade seine Papiere zusammenrichten, um den Unfall zu melden, als schon die Polizei vor der Tür gestanden sei.
„Das passt alles irgendwie nicht zusammen“, fand der Vorsitzende, vertagte die Verhandlung und lud den Zeugen erneut vor.
Ursprünglich hatte die Anklage auch eine „fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs“beinhaltet. In dem Punkt war der Senior aber in erster Instanz freigesprochen worden. Die Verhandlung wird am Donnerstag, 1. Februar, um 11 Uhr fortgeführt.