„Ich erwarte von der Fraktion mehr als warme Worte“
STUTTGART - Die Tübinger Bundestagsabgeordnete Annette WidmannMauz (Foto: Michael Bollenbacher) ist Bundeschefin der Frauen Union. Sie war im Team der CDU, das den Koalitionsvertrag mit den Grünen im Südwesten ausgehandelt hat. Katja Korf befragte sie. Wie bewerten Sie das Verhalten der Fraktion? Ich bin schon enttäuscht, dass sich die CDU-Landtagsfraktion hier einfach verweigert. 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts reicht es nicht mehr aus, nur Nein zu sagen. Baden-Württemberg steht seit Jahrzehnten bundesweit am Ende der Tabelle, was die Repräsentanz von Frauen und anderen gesellschaftlich relevanten Gruppen im Parlament anbelangt. Hier wird einmal mehr eine historische Chance vertan. Was erwarten Sie jetzt? Wir können die CDU-Landtagsfraktion nicht so einfach aus ihrer Verantwortung entlassen. Mandatsträger sind stets auch Repräsentanten der Parteien, die sie zur Wahl aufgestellt haben. Koalitionsverträge sind ein Geben und Nehmen. Die CDU muss ein verlässlicher Partner sein. Für mich ist dies eine Frage von Koalitionstreue. Ich erwarte von einer Regierungsfraktion schon mehr als nur warme Worte in Richtung Partei und gut gemeinten Absichtserklärungen. Bis heute fehlt ein konkreter Vorschlag oder ein messbarer Beitrag, wie Baden-Württemberg endlich eine angemessene Repräsentanz von Frauen im Landtag erreichen will. Wo bleibt der sprichwörtliche Tüftlergeist? Andere Länder gehen uns voran. Baden-Württemberg kann mehr. Was halten Sie von dem Argument, ein Listenwahlrecht würde bei der CDU nicht zu einem höheren Frauenanteil im Parlament führen? Bei Bundestagswahlen gibt es ein Zweistimmen-Wahlrecht, doch es haben aus BadenWürttemberg nur drei CDU-Frauen nach Berlin geschafft. Man kann Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Bei der Bundestagswahl 2017 hat die CDU alle Direktmandate im Land errungen, die Landesliste kam daher erst gar nicht zum Zuge. In der letzten Legislaturperiode allerdings zogen sechs von neun baden-württembergischen CDU-Frauen über die Liste in den Bundestag. Bei Landtagswahlen spielte in der Vergangenheit die Zweitauszählung für die CDU keine besondere Rolle. Das hat sich 2016 aber geändert: Die CDU hat lediglich 22 von 70 Direktmandaten errungen und 20 CDU-Abgeordnete erhielten ihren Sitz über die Zweitauszählung. Eine Landesliste ist kein Allheilmittel, aber sie bietet den Mitgliedern der Parteien bei der Aufstellung ihrer Bewerberinnen und Bewerber deutlich mehr politische Gestaltungsmöglichkeiten. Für die CDU bedeutet dies: Mehr Chancen auch für Kandidaten aus Groß- und Universitätsstädten und mehr Frauen, Jüngere oder Menschen mit Migrationsgeschichte in den Landtag zu entsenden.